■ Berlin: Drei tote Kurden und eine seltsame Berichterstattung
: Befangenheit und Ressentiment

Das Gemetzel im israelischen Generalkonsulat zu Berlin hat die Welt schockiert. Doch bevor die Einzelheiten der versuchten Konsulatsbesetzung überhaupt bekannt wurden, war das Urteil schon gefällt: Die verhetzten und fanatisierten Kurden sind selbst schuld. In ihrer „tödlichen Treue zu Abdullah Öcalan“ (taz, 18. 2.) haben sie die Eskalation provoziert. Anstatt eine Aufklärung der Todesschüsse zu verlangen, wurde in Deutschland „verstärkt über Ausweisung“ nachgedacht und die Opfer als Terroristen abgehakt.

Daß sich die deutsche Presse reflexartig auf die Seite der Israelis schlug und die Sprachregelung der „Notwehr“ ungeprüft übernommen hat, ist angesichts der historischen Schuld unseres Landes und der schwierigen Beziehungen zu Israel verständlich. Dennoch bleibt diese Art befangener Journalismus eben befangen und damit tendenziös. Die Informationen über den Ablauf der Eskalation sind bis heute dürftig genug. Wer, wann, wo auf wen, wie oft und warum geschossen hat, ist noch immer unklar. Die Todesschützen sind auffällig schnell, mit diplomatischen Pässen versehen, nach Israel ausgeflogen worden.

In ähnlichen Fällen mit anderen Beteiligten hätte man längst im Brustton der Empörung von einer Nachrichtensperre gesprochen. Reichlich spät und nur tröpfchenweise sickern jetzt Details an die Öffentlichkeit, die mit der Notwehrthese kaum vereinbar sind. „Wahllos“ habe die Security geschossen, sagen beteiligte Polizisten, denen gleichfalls die Kugeln um die Ohren pfiffen, und die nur durch sehr viel Glück unverletzt geblieben sind.

Natürlich war es einfacher, den Kurden die Schuld zu geben. Sie hätten ja wissen müssen, daß in der israelischen Botschaft nicht nur der Hausmeister, sondern aus gutem Grund auch schwerbewaffnete Wachleute stehen. Bei einem anderen, durchaus militanten Demonstrantenyp, etwa aus der Antiatom- oder Feministenszene, wären ganz andere Fragen gestellt worden. Doch die Protestformen der Kurden sind uns fremd geblieben, sie erscheinen als schnauzbärtige Schreihälse und PKK-Schläger, die ihr Anliegen schlecht kommunizieren, die Medienarbeit nicht beherrschen und noch nicht mal vor Autoblockaden halt machen.

Die Befangenheit gegenüber Israel und die Ressentiments gegenüber den Kurden sind der Hintergrund für die seltsame Verarbeitung des Desasters. Doch die Ungereimtheiten bleiben. Drei Menschen sind erschossen wurden. Die Toten und Verletzten verlangen Aufklärung und Ehrlichkeit. Manfred Kriener