Demostreit in Wurzen

Morgen will Angela Marquardt in Wurzen gegen rechts demonstrieren. Die örtliche PDS ist dagegen – die Rechten marschieren schließlich in Magdeburg auf  ■ Aus Dresden Nick Reimer

Ausgerechnet am ungefährlichsten Tag im Jahr will die Leipziger Antifa in Wurzen demonstrieren. Der ungefährlichste Tag ist morgen. Auch die braunen Kameraden der Wurzener NPD werden dann marschieren – in Magdeburg oder im uckermärkischen Angermünde. „Angela Marquardt traut sich anscheinend nur nach Wurzen, wenn die Stadt faschofrei ist“, spottet die PDS-Kreisvorsitzende Kerstin Köditz. Doch der Reihe nach.

Im Januar hat die PDS-Bundestagsabgeordnete Marquardt auf Bitte des Leipziger „Bündnisses gegen Rechts“ eine antifaschistische Demonstration in Wurzen angemeldet. Allerdings vergaß sie, den Genossen vor Ort Bescheid zu sagen. Die sind brüskiert. „Die Demo ist das falsche Signal am falschen Ort“, sagt Kerstin Köditz, die auch im sächsischen Landesvorstand der PDS sitzt.

Wurzen war Mitte der 90er immer wieder als rechtsextreme Hochburg in die Schlagzeilen geraten. Mit ihrer Politik der kleinen Schritte habe die PDS vor Ort aber zunehmend Erfolg, sagt Köditz. So wurde erreicht, daß der NPD-Treff – obwohl es sich um das Haus einer Privatperson handelt – vergangenen Herbst schließen mußte. Um Jugendliche aus der rechten Ecke herauszuholen, arbeitet die PDS eng mit einem Verein für Kinder- und Jugendarbeit zusammen. „Uns ist gelungen, eine Gegenkultur zu entwickeln“, sagt Köditz.

„Wurzen ist eine rechte Hochburg, die bundesweit Bedeutung hat“, kontert Angela Marquardt und beruft sich auf den sächsischen Verfassungsschutz. Köditz widerspricht und beruft sich auch auf Sachsens Verfassungsschützer: „Wurzen ist keine rechte Hochburg mehr. Das sagt zumindest der jüngste Bericht.“

Wahrscheinlich wäre der Wurzener Demostreit nur ein provinzielles Hauen und Stechen zweier PDS-Frauen geblieben. Wenn morgen aber nur ein paar Handvoll Linke demonstrierend durchs verschlafene Wurzen ziehen, wird in Magdeburg und Angermünde mit über 1.000 rechtsextremen Marschierern gerechnet.

Seitdem die NPD im Internet einen Aufmarsch „gegen deutsche Pässe für Ausländer“ propagiert, hat sich auch in Magdeburg und Angermünde eiligst ein „Bündnis gegen Rechts“ gefunden. An dessen Spitze steht allerdings nicht die PDS, sondern die SPD. So will Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Höppner in Magdeburg auf der Gegendemonstration reden, in Angermünde hat sich SPD-Landeschef Reiche angekündigt.

Wurzen? Warum ist das Leipziger „Bündnis gegen Rechts“ nicht an den Brennpunkten dabei? Man habe sich untereinander abgestimmt, heißt es aus Bündniskreisen. Die Magdeburger sollen die Antifa des Nordens, die Leipziger die des Südens aktivieren. „Es ist falsch, immer nur auf die Rechten zu reagieren“, sagt Angela Marquardt. Mit der Wurzener Demo wolle man eigene Akzente setzen.

Insider vermuten aber, daß es den Leipzigern hauptsächlich darauf ankommt, sich lautstark ins Gedächtnis der Öffentlichkeit zurückzurufen. In Leipzig selbst verfolgte das Bündnis zuletzt die leise Strategie des parlamentarischen Lobbyismus. Und hatte damit Erfolg: Diese Woche beschloß der Jugendausschuß des Stadtrates, den „Treff 2“ im Kirschberghaus in seiner bisherigen Form zu schließen. Nachdem in Wurzen der NPD- Treff dichtmachen mußte, entwickelte sich Treff 2 zunehmend zur rechten Planungszentrale. „Die Jugendlichen selbst sind an Stadt und Parteien herangetreten“, sagte Martina Menge-Buhk von der Stadtverwaltung. In einer dreimonatigen Frist übernimmt die Stadt Leipzig jetzt den Jugendclub, erarbeitet eine neue Konzeption und sucht einen neuen Träger.

Marquardt fragt: „Was ist denn so falsch, sich die Lage in unserer Gesellschaft lautstark ins Gedächtnis zu rufen?“. Das provoziert doch nur, sagt Kerstin Köditz. In der Wurzener PDS-Geschäftsstelle wurden gerade wieder die Scheiben eingeschlagen. Auch Bombendrohungen gingen ein. Inzwischen distanzierte sich auch die sächsische Landes-PDS von der Marquardt-Demo. Diese stünde nicht auf der notwendigen breiten gesellschaftlichen Grundlage.

Rechts oder links: Vorerst darf niemand marschieren: Sowohl in Magdeburg und Angermünde als auch in Wurzen wurden die Demos verboten. Überall wurde dagegen Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Die Polizei jedenfalls macht sich auf einen anstrengenden Samstag gefaßt.

Kerstin Köditz sagt: „In Wurzen findet auf jeden Fall was statt. Und wenn's nur die Schlacht der Enttäuschten ist.“