„Goldgräberstimmung“ im hohen Norden

■ Der Markt für erneuerbare Energien blüht. Aber welcher Strom ist wirklich grün?

Eine „Goldgräberstimmung mit vielen Firmengründungen“ hat Hermann Albers, Landesvorsitzender des Bundesverbandes Windenergie (BWE), in Schleswig-Holstein ausgemacht. „Gebuddelt“ wird nach Strom aus Windkraftanlagen: „Der wird in absehbarer Zeit eine ganz normale Handelsware werden.“ Für den „Ökostrom-Markt“ müßten sich die Windkraftbetreiber rüsten und organisieren, so Albers. Derzeit gebe es aber noch eine große Rechtsunsicherheit etwa bei der Frage der Durchleitung und Vertragsgestaltung.

Gleichzeitig wittern auch die großen Energieversorger das Gold und drängen mit „grünen“ Tochterunternehmen auf den Markt. So wollen etwa die HEW demnächst neben ihrem Atom- auch Bio-Strom anbieten (siehe dazu Seite 25). Aber nicht überall, wo beim Strom grün draufsteht, ist auch grün drin, warnt Ralf Bischof von der Düsseldorfer „Naturstrom“. Die Energieversorger etwa arbeiteten mit Billigimporten aus dem Ausland oder abgeschriebenen Kraftwerken und böten „Dumpingpreise, weil sie mit dem Ökostrom nicht ihr Geld verdienen müssen“.

Damit diejenigen, die ausschließlich erneuerbare Energien produzieren, gegen die „Großen“ bestehen könnten, müßten sie sich organisieren, „den Markt selbst in die Hand nehmen und eigene Standards setzen“, fordert Bischof. Wie beim Handel mit Bio-Lebensmitteln komme es auf eine klare Zertifizierung an. „Der Verbraucher sieht ja nicht in der Steckdose, um welche Art Strom es sich handelt.“ Zu den Grundsätzen der „Naturstrom“, bei der auch Umweltverbände Pate gestanden haben, zählt beispielsweise der Verzicht auf Billigimporte. Auch würden mit dem Geld der umweltbewußten KundInnen vor allem neue Windkraftanlagen gefördert, die sich noch nicht aus eigener Kraft finanzieren können – etwa im Binnenland.

Rechtlich möglich wurde der „grüne Goldrausch“ durch die europaweite Liberalisierung der Energiemärkte. Seit April 1998 kann jeder seinen ganz persönlichen Atomausstieg praktizieren – theoretisch. „Allerdings gibt es noch Probleme in der Frage der Durchleitung“, wendet Heino Mengers aus dem Kieler Energieministerium ein. Das neue deutsche Energiewirtschaftsgesetz biete hier nicht genug Klarheit und „muß nachgebessert werden“.

Umweltverbände hatten den „alten“ Energieversorgern vorgeworfen, durch überhöhte Durchleitungsgebühren die Preise für Öko-Strom gezielt zu verteuern. So lagen die Preise für den Transport einer Kilowattstunde Öko-Strom zunächst laut Greenpeace bei zwölf bis 16 Pfennig. Für Atomstrom waren nur rund sechs Pfennig verlangt worden. Die HEW verlangen derzeit 10,56 Pfennig Wegezoll.

Heike Wells