Die ganze Stadt ist das Studio

■ Der deutsch-türkische Sender Aypa-TV sendet mit minimaler Technik ein anspruchsvolles Programm meist in deutscher Sprache. Kanal will Transparenz zwischen Kulturen schaffen

Auch im High-Tech-Land Deutschland wird man immer wieder überrascht. Überrascht darüber, wie zwei Menschen mit minimaler technischer Ausrüstung und sehr wenig Geld höchst engagiert einen Fernsehsender betreiben: In einem Zimmer einer Privatwohnung in Mitte, ausgestattet mit Mischpult und vier Videorecordern, einer einzigen funktionierenden Kamera und einem abgewetzten Sofa. Das ist das Fernsehstudio des deutsch-türkischen Senders Aypa-TV.

„Ganz Berlin ist unser Studio“, sagt Claudia Danschke, die zusammen mit dem Türken Ali Yildirim das Programm macht. Laut Guinness-Buch der Rekorde vom Oktober 1998 ist es der kleinste Fernsehsender der Welt. Heute feiert er sein sechsjähriges Bestehen.

Der Sender will ab heute wieder täglich auf dem Spreekanal, von 22.30 Uhr bis 23.30 Uhr, senden. In den vergangenen vier Wochen konnte Aypa-TV die Kosten, die es an den von der Landesmedienanstalt beauftragten Anbieter Media-Port Berlin zu zahlen hatte, nicht mehr aufbringen und ging nur noch einmal wöchentlich auf Sendung.

Am Donnerstag abend drohte Media-Port schließlich bei einer Sitzung mit dem Entzug des günstigen Prime-time-Platzes, „falls Aypa-TV in Zukunft nicht täglich sendet und auch nicht zahlt“, sagte Hans-Peter Becker von Media- Port. Schließlich gebe es auch noch andere Anbieter auf dem Mischkanal, die zu dieser günstigen Zeit ausstrahlen wollten.

Doch hofft Yildirim, durch verstärkte Werbung in seiner Sendung und durch neue Fördermitglieder den Sender halten zu können.

Ohnehin steckt der Chef nach eigenem Bekunden fast seinen ganzen Verdienst aus seinem Hauptberuf als Gerichtsdolmetscher in den Sender. Aber der Unverdrossene ist zuversichtlich: „Es wird weitergehen.“

Das Programm sendet Aypa- TV überwiegend in deutscher Sprache. „Wir wollen auch den Deutschen verständlich machen, was in der Welt der Türken, der Kurden und des Islam überhaupt diskutiert wird“, sagt Yildirim. „Es muß Transparenz zwischen den Kulturen und Gruppen geschaffen werden.“ Der Sender hat sich, anders als viele andere kleine „Multikulti“-Sender, nicht zum Anwalt einer bestimmten Gruppe gemacht, bedient nicht „die“ Türken, „die“ Kurden oder gar „die“ Meinung der Deutschen: „Für die politischen Islamisten sind wir zu laizistisch, für die Nationalisten sind wir zu demokratisch, für die demokratischen Interessenverbände sind wir zu kritisch“, sagt die 35jährige Danschke, die ihr journalistisches Handwerk vor dem Mauerfall bei der staatlichen DDR-Nachrichtenagentur ADN gelernt hat.

Bei Aypa-TV gibt es keine clip- artig zusammengeschnittenen Sendungen. „Wir legen Wert auf ausführliche Informationen“, sagt Yildirim, der, bevor er den Sender gründete, als Berlinchef der linksliberalen türkischen Tageszeitung Milliyet arbeitete.

Die Sendungen von Aypa-TV sind meist monothematisch angelegt und berichten überwiegend dokumentierend; die beiden Journalisten reichern sie noch mit Hintergrundinformationen an. „Wir werten zwar auch, doch bemühen wir uns, dem Zuschauer Raum für eine eigene Meinung zu lassen“, betont Yildirim. In letzter Zeit hatte sich der Sender vor allem mit der Diskussion um den Islamunterricht in deutschen Schulen und mit der doppelten Staatsbürgerschaft beschäftigt. Jetzt wird die kurdische Frage im Zentrum der Berichterstattung stehen. Annette Rollmann