Für eine Handvoll Humus

■ Demnächst in Ihrem Kino: Umweltgerechte Spielfilme

Die Welt erstickt im Müll. Und Hollywood tut so, als sei die Prärie noch in Ordnung. Die heile Westernwelt wird unverdrossen wiederbelebt, während Death Valley im Müll versinkt, die Blauen Berge im Smog kaum mehr auszumachen sind und westlich von Santa Fé die veralteten Kläranlagen heißlaufen.

Nicht so in Deutschland: Die ungebrochene Kreativität der deutschen Filmschaffenden beweist sich einmal mehr in ihrer Fähigkeit, sensibel auf Zeitströmungen und Geruchsbelästigungen zu reagieren und ihre Stoffe geschickt den veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Hier ein kleiner Vorgeschmack auf die „kleinen, schmutzigen Filme“ der kommenden Saison:

Duell in der Tonne

Die Freundschaft zweier Tonnenmänner zerbricht an der Entscheidung des Gemeinderats, im idyllischen Oberbärbel die Wertstofftonne einzuführen. Während Herbert, der hessische Müllwerker, als inbrünstiger Verfechter der Abfalltrennung Flagge zeigt, lehnt Manni, der Fahrer des Gespanns, die grüne Tonne aus Gewissensgründen rundweg ab. Die beiden Müllprofis werden dadurch in eine tiefe Sinnkrise gestürzt. Als Herbert sich schließlich in einer Wertstofftonne verschanzt und Manni hinter einem Glascontainer Dekkung sucht, kommt es zum großen Showdown der beiden Abfall-spezialisten ...

Verdirb langsam

Nach dem langsamen Sterben kriecht nun das langsame Verderben über unsere Leinwände. Die Geschichte von Johnny Hüblich, einem Gemüse-Großhändler, der mit EU-Subventionen den großen Reibach macht, bis er in die Fänge der „Melanzane-Mafia“ gerät, ist ein echter Appetitzügler. Mit einem reichen Arsenal an kriminellen Methoden versuchen die Paten, von ihm Schutzgeld zu erpressen. Als Johnny sich dazu entschließt, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, wird er von zwei Berufskillern auf der Naßmülldeponie „entsorgt“. Nur Hardcore-Vegetarier überstehen diesen absoluten Arti-Schocker des Jungfilmers Bernd Pütlitz, den dieser nächstes Jahr mit „Für eine Handvoll Humus“ fortsetzen will.

Der Abfall der Niederlande

Friedrich Schillers Klassiker der deutschen Geschichtsschreibung diente dem jungen Regisseur Holger Frühbier als Anregung für seinen ambitionierten Erstlingsfilm. Über die Frage, ob er sich mit dem ebenso spröden wie anrüchigen Thema nicht etwas übernommen hat, mögen andere rechten. Ein Verdienst wird ihm in jedem Fall den Eintrag ins Goldene Buch der Filmgeschichte sichern – sein morbiden Reiz ausstrahlender, oftmals in Regionen des Verwesens abgleitender Spielfilm ist der erste, der von Anfang bis Ende auf einer Müllkippe spielt.

Der Abfall der Niederlande ist gleichzeitig ein metapherngeladenes, prallgefülltes Stück Genußkino, das sowohl den verfeinerten Cineasten, den engagierten Entsorger wie auch den Liebhaber schlüpfriger Schmierfilme zufriedenstellt. Einzige Schwachstelle des furiosen Endzeitspektakels dürfte Frühbiers ehrgeiziger Versuch sein, die holländischen Entsorgungsrichtlinien filmisch umzusetzen. Diese bieten zwar sicherlich genügend Stoff für mehrere kleine, schmutzige Fernsehspiele, aber für großes Kino reicht die dramaturgisch äußerst beschränkte Abfallverordnung der Niederlande denn doch nicht aus.

Bleibt zu hoffen, daß dieser gewagte Versuch trotzdem seinen Weg zum Publikum findet. Für seinen nächsten Film hat sich Frühbier jedenfalls ein populäreres Genre ausgesucht. Arbeitstitel des Westerns, der nächstes Jahr die definitive deutsche Antwort auf Hollywood geben soll: „Tüten pflastern seinen Weg“. Rüdiger Kind