Ein Roma-Archiv gegen Vorurteile

■ In Köln eröffnete Bundestagspräsident Thierse das erste Dokumentationszentrum über das Leben der Roma und Sinti

Köln (taz) – „Diebe“ und „Betrüger“ wurden Roma und Sinti früher beschimpft. „Sie wollen sich nicht anpassen“ und „nutzen nur unsere Sozialgesetze aus“, heißt es heute etwas eleganter. Mit Vorurteilen hatten die Roma und Sinti zu kämpfen, seit sie im 14. Jahrhundert aus Indien nach Europa einwanderten. Der Kampf gegen diese Vorurteile ist ein Ziel des „Archiv- und Dokumentationszentrums zur Geschichte und Kultur der Roma“, das gestern in Köln eröffnet wurde. Als „Kontrapunkt gegen die allgemeine Stimmung des Ausgrenzens“ würdigte es Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in seiner Begrüßungsrede.

Der Ort ist symbolträchtig: Im Pflaster vor dem Haus in der Bobstraße erinnern Messingtafeln an vier Sinti, die am 21.5.1940 von hier aus nach Auschwitz deportiert wurden. Auf knapp 40 Quadratmetern finden sich ca. 3.000 Bücher, Broschüren und Aufsätze, die sich mit Kultur und Geschichte der „Zigeuner“ in Europa beschäftigen. Einen großen Teil der Präsenzbibliothek nehmen dabei Dokumente über die ständige Verfolgung der „Zigeuner“ ein, darunter auch Kostbarkeiten wie ein Fahndungsplakat der Fürsten und Stände des Schwäbischen Kreises aus dem Jahr 1720, das auflistet, wie mit dem „Zigeuner- und Diebsgesindel“ zu verfahren sei. Am umfangreichsten ist der Teil, der sich mit dem systematischen Völkermord der Nazis beschäftigt. Historische Grafiken, 1.700 Bildpostkarten und etwa 7.000 Fotos zeigen, wie sich die Wahrnehmung von Roma und Sinti im Laufe der Zeit änderte. Rund 500 LPs und CDs geben einen Einblick in die reiche Musikkultur, hinzu kommen noch 250 Filme. 25 Roma- Zeitschriften liegen aus. Mit rund 300.000 Mark hat die Düsseldorfer „Hermann-Niemann-Stiftung“ das Projekt unterstützt.

Nach Angaben des Trägers Rom e.V. ist es das größte öffentlich zugängliche Archiv dieser Art in Europa. Neben der Vermittlung von Informationen soll es auch Roma und Sinti die Möglichkeit zur kulturellen Selbstdarstellung geben und deren Kultur durch Sprachunterricht fördern, und es soll die weltweit rund 50 Roma-Initiativen miteinander verbinden. Weltweit wird die Zahl der Roma auf etwa 12 Millionen geschätzt. „Die Roma haben nicht – wie andere Minderheiten – einen Staat hinter sich, der sie vertreten kann“, sagt Netjo Osman, Leiter des Kölner Theaters Romano. Um so wichtiger sei ein Zentrum wie dieses. Rom e.V. – ein Verein aus Roma und „Deutschen“ – wurde 1984 gegründet, als in Köln über zwei Lagerplätze für durchreisende Roma gestritten wurde.

Hierzulande leben rund 60.000 Roma und Sinti mit deutscher Staatsangehörigkeit. Hinzu kommen etwa 40.000 Arbeitsemigranten vor allem aus Jugoslawien, Griechenland und der Türkei, die sich aber nur selten als Roma zu erkennen geben, sowie etwa 30.000 Asylbewerber. Jürgen Schön

Kontakt: Roma-Archiv Tel. (0221) 242536