Die Normalität tagtäglicher Razzien

■ Aktionstag gegen Ausgrenzung, Vertreibung und Rassismus im Schanzenviertel

„Die Vielfalt hier habe ich immer sehr geschätzt“, verkündet die adrette Schanzenviertel-Bewohnerin mit unbewegter Miene. „Aber wer hier herkommt, sollte sich an die Spielregeln halten.“ „Unerkannter Rassismus hat ein Gesicht“, steht auf einer Tafel neben der lebensgroßen Puppe, die am Sonnabend von autonomen StadtteilaktivistInnen auf dem „Knochen“ (Ecke Bartelsstraße/Susannenstraße) aufgestellt wurde.

Mehr als 200 Menschen hatten sich am Mittag vor der Roten Flora versammelt, um gegen „Ausgrenzung, Vertreibung und Rassismus“ im Viertel sowie gegen den „Belagerungszustand“ durch die Polizei zu protestieren. Neben der Enthüllung des Yuppie-Denkmals wurde mit Spritzen der Florapark „bullenfrei“ gesäubert und eine Sonderdienststelle gegen Fahrradklau – wirklich ein Problem im Viertel – eingerichtet. Am Schanzenbahnhof verteilten die OrganisatorInnen des Aktionstags kostenloses Essen an Junkies.

Das Gros der Schanzen-BewohnerInnen scheine sich mittlerweile mit der stetigen Polizeipräsenz abzufinden, monierten die AktivistInnen. „Die Normalität tagtäglicher Razzien und Verhaftungen mitten zwischen einkaufenden und sich amüsierenden Menschen ist Ausdruck einer Gesellschaft, in der Diskriminierung wie selbstverständlich dazugehört“, mahnte eine Rednerin. Latenter Rassismus durchziehe den Stadtteil. „Die Hautfarbe wird zum Kriterium polizeilicher Kontrollen“, beklagte die Frau. „Schwarze können Dealer sein, aber nicht jeder Schwarze ist ein Dealer.“

Daß die Polizei im Schanzenviertel stets präsent ist, demonstrierten Zivilfahnder des Lerchenreviers. Da sie sich gefilmt fühlten, nahmen sie die Personalien eines Filmteams auf. Als sie deswegen von Aktivisten umringt wurden, kam es zu heftigen Wortgefechten. Im Anschluß daran wollten die Fahnder den Film des taz-Fotografen beschlagnahmen – schließlich, argumentierten sie, könnten auch Portraits von Beamten unter den Aufnahmen sein. Erst nach einstündiger Debatte auf dem Revier konnte er samt Film wieder gehen.

Heute steht dem Schanzenviertel erneut eine Belastungsprobe bevor. Deutschnationale um den Ex-RAF-Anwalt Horst Mahler haben sich für eine Demo gegen die doppelte Staatsbürgerschaft angesagt. Zahlreiche Gruppen aus dem Viertel haben dazu aufgerufen, den Marsch zu verhindern, der dem Vernehmen nach um 14 Uhr am Schanzenbahnhof beginnen soll.

Magda Schneider