Pionier mit Gefühl und Glauben

■ Der erste ausländische Betriebsrat der Stahlwerke ist vielgeachtet. Sein Reisebüro wurde angezündet. Trotzdem steht Mustafa Karabacak für Frieden

Für viele Menschen hält das Leben nur wenige Begegnungen mit echten Pionieren bereit. Mustafa Karabacak ist einer. Aber wer ihn trifft und das nicht weiß, wird es von ihm auch nicht erfahren. Der Gröpelinger, der vor 39 Jahren als einer der ersten Bremer Gastarbeiter aus der Türkei an die Weser kam, der dann als erster Migrant in den Klöckner-Betriebsrat gewählt wurde und dort 22 Jahre aktiv blieb, ist bescheiden. Manchmal auch nur diplomatisch schweigsam. Das betrifft vor allem schlechte Erfahrungen in Deutschland – und derzeit den schwelenden Konfklikt zwischen Türken und Kurden.

Zu dessen Beilegung hat Mustafa Karabacak, der seit 12 Jahren Vorstand der staats-türkisch orientierten Mevlana-Moschee in Gröpelingen ist, beigetragen. Er hat den Appell der Bremer Muslime für Gewaltfreiheit mitgetragen, der jüngst im Rathaus unterzeichnet wurde. Dadurch hat er viele Menschen beeindruckt, denn Karabacak ist der Gründer eines der drei Reisebüros, auf die jüngst Brandanschläge verübt wurden. Aber dennoch bleibt der türkische Bremer vorsichtig. Wenn die Moschee voll ist, stehen draußen Wachen. Man weiß ja nie. Und ansonsten begründet der Sozialdemokrat und IG-Metaller Mustafa Karabacak – dem die Ex-Kollegen nach dem Brandanschlag eine Solidaritätsbekundung zuschickten – sein Engagement mit dem Glauben.

taz: Herr Karabacak, haben Sie den Aufruf zum Frieden beim letzten Freitagsgebet in der Mevlana-Moschee verlesen?

Mustafa Karabacak: Wir haben den Inhalt bekannt gegeben und angesprochen – weil die Botschaft des Islams die Friedfertigkeit ist. Man soll geduldig sein und sich nicht zu Gewalt hinreißen lassen.

Das Reisebüro, das Sie gegründet haben, ist Ziel eines Brandanschlags geworden. Sie rufen trotzdem zu Versöhnung auf. Woher nehmen Sie die Kraft?

Ich fühle mich gar nicht kräftig. Ich fühle mich eigentlich schwach. Ich habe nicht studiert, ich habe gerade mal die Grundschule beendet. Ich weiß nicht viel. Aber ich folge meinen Gefühlen und meinem Glauben. Vielleicht wirkt das so, daß Menschen glauben, ich sei kräftig.

Wie haben Ihre Bekannten auf die Brandstiftung reagiert?

Die haben mir ihr Beileid ausgesprochen. Manche haben gesagt, das waren diese und jene. Aber ich hüte mich zu sagen, das waren die Kurden oder jemand anders. Das wird die Polizei feststellen.

Warum glauben Sie, wurde Ihr Laden angegriffen?

Ich weiß es nicht. Ich glaube, daß niemand einen Grund hatte, mir das anzutun. Ich begreife das nicht.

Sie haben im Rathaus die türkischen und kurdischen Gemeindemitglieder zum Frieden aufgerufen. Warum Sie?

Mein Glaube heißt Islam und fordert mich dazu auf. Als Muslim habe ich eine besondere Verantwortung zu schützen, was Allah so schön geschaffen hat. Das ist mein Antrieb. So sollte es jeder Muslim machen.

Aber Ihr erster Gedanke war doch nicht bei Allah, als sie vom Feuer im Reisebüro gehört haben?

Ich war natürlich traurig. Aber ich weiß auch, daß alles im Wissen Allahs geschieht. Für ihn war es keine Überraschung. Ich versuche das zu verstehen. Und ich finde es schade, daß das geschehen ist. Den materiellen Schaden kann man wieder gutmachen, den immateriellen muß man heilen. Gut, daß kein Mensch zu Schaden gekommen ist.

Sie gehören zur Generation der angesehenen Alten. Viele junge Leute denken weniger fromm als sie und haben heißeres Blut. Das betrifft Kurden wie Türken. Was müssen die Alten da tun?

Wir dürfen nicht nur ermahnen. Wir müssen auch ein Beispiel geben und zeigen, daß man nicht nur gut reden kann, sondern daß man damit auch gut leben kann: Das sind meine bescheidenen Möglichkeiten – nicht nur aufrufen zum Frieden sondern auch zeigen, daß es geht. Wir haben über 80 junge Leute in der Moschee. Denen sagen wir immer, seid euch unseres Muslimseins bewußt. Laßt euch daran messen. Nur wenn ich so lebe, wie ich das von den Jugendlichen erwarte, nehmen sie mich ernst.

Für Migranten in Deutschland hat es immer wieder schwere Zeiten gegeben. Zeitweilig war die Angst groß, von deutschen Neonazis überfallen zu werden, jetzt schieben Türken Wache vor den eigenen Moscheen. Von ihrem eigenen Beitrag abgesehen – was braucht es noch zur Lösung der aktuellen Konflikte? Was erwarten sie von der deutschen Politik?

Ich glaube, die Prävention ist sehr wichtig. Da sollte jeder handeln. Aber man muß die Menschen, die sich nicht an Gesetze halten und die anderen Schaden zufügen, auch bestrafen. Sonst gibt es für das Zusammenleben keine Grundlagen. Da wünsche ich mir, daß die Gesetze besser angewandt werden. Jeder muß wissen, daß er nicht machen kann was er will. Ich bin tolerant, aber die Toleranz hört da auf, wo andere einen Schaden erleiden. Freiheit endet, wo es beim anderen anfängt wehzutun.

In der deutschen Politik wird diskutiert, kurdische Straftäter schneller in die Türkei abzuschieben. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Politiker, aber ich glaube nicht, daß das langfristig der richtige Weg ist. Man kann Konflikte nicht dadurch lösen, daß man Menschen einfach wegschiebt und woanders hinsteckt. Ich möchte noch einmal betonen, daß die Pävention wichtig ist: Die Politik muß die Bedingungen dafür schaffen, daß Menschen in Frieden und gegenseitiger Achtung hier leben können.

Wäre die Initiative, die die Muslime jetzt im Rathaus gestartet haben, ohne die letztjährige Islam-Woche möglich gewesen?

Ja sicher, so etwas ist die Aufgabe des Muslims. Sicher war die Islam-Woche etwas schönes – aber die Initiative hat damit nichts zu tun. Wir Muslime haben uns schon oft in Bremen zusammengetan, das ist nichts neues. Es wurde nur bisher nicht wahrgenommen. Diesmal wurde es nur wahrgenommen, weil es im Rathaus geschehen ist und Henning Scherf sich der Sache angenommen hat.

Fragen: Eva Rhode