Vernetzte Stadt in weiter Ferne ganz nah

■ Hypertexte allein machen noch lange keine gute Party: Die „Softmoderne“ im Podewil

„Was passiert, wenn wir Sprache aus ihrer Linearität entlassen?“ Eine essentielle Frage für alle Literaten und Schreiber dieser Welt, eine Frage aber, die die am Wochenende stattfindende „Softmoderne“ nicht gerade befriedigend beantworten konnte. Zwei Tage lang ging es im Podewil um sogenannte Hypertexte und die Auseinandersetzung von Literatur mit dem Medium Computer. Vorgestellt wurden Projekte, die zumeist extra für die „Softmoderne“ konzipiert wurden und sich mit Berlin als Stadt auseinandersetzen sollten.

Hypertexte fordern zum nicht- linearen Lesen auf. Sie besitzen idealerweise keinen festgelegten Leseverlauf, vielmehr verbinden sie einzelne Textfragmente durch Links miteinander. In welcher Reihenfolge und zu welchem Zeitpunkt der Zugang erfolgt, ist Sache des Lesers. Wie ein Text aussieht, bestimmt nicht mehr die Intention des Autors, sondern die Wahl operativer Verknüpfungen durch den Leser, der so selber Autor wird.

Ein grundsätzliches Problem, ein eklatantes dazu, war die Präsentation der Hypertexte im Rahmen der „Softmoderne“. Die Projekte konnten aus Zeitgründen bloß ausschnittsweise vorgetragen werden, und das Hauptanliegen der Präsentation bestand meist im Vermitteln der Konzeption. Doch gerade in der Eigenaktivität, Verantwortung und Aufmerksamkeit des Nutzers liegt der Reiz der Hypertexte. Diese jedoch wurden in den jeweiligen Präsentationen, bei denen die Computertexte auf eine Leinwand projiziert wurden, ausschließlich den Projektgestaltern zugeschlagen. Wie gut und ob der jeweilige Hypertext nun tatsächlich funktioniert, konnte bloß erahnt oder eben daheim im Internet erkundet werden.

War der zweite Tag der „Softmoderne“ der Präsentation von Hypertexten gewidmet, wurde am Eröffnungstag deutlich, daß die Realität eben doch noch nicht die aus einem Cyberpunk-Roman oder einem Cronenberg-Film ist: Virtual Reality steckt noch immer in den Kinderschuhen.

Eku Wand stellte seine vielbeachtete CD-ROM „Berlin Connection“ vor. Ein interaktiver Berlin-Thriller, der sich stark an Adventure-Computerspielen orientiert. Das Fazit Wands war, daß in Deutschland mehr für Medienförderung getan werden müsse. Ohne finanzielle Unterstützung könnten solch ambitionierte Unternehmungen gar nicht lange am Leben bleiben, geschweige denn Nachahmer finden.

Groß war der Katzenjammer, den das Podium zum Thema „Cyber City – Erweiterung oder Auslöschung von Stadtkultur?“ am Schluß des ersten Tages anstimmte. Sascha Korp vorneweg, als Repräsentant von „Berlin.de“. Diese Gruppe wollte ein Bürgernetz etablieren und aus Berlin eine virtuelle Metropole machen, in der grenzenloses Shoppen und Informationen-Einholen eine Frage des richtigen Mausklicks werden sollte. „Berlin.de“ ging Ende letzten Jahres an den Start und erlitt einen totalen Fehlstart. Nichts funktioniert hier mehr, Geld ist keines da, und der Traum der vernetzen Stadt ist in weite Ferne gerückt.

Als ob das noch nicht genug wäre, holte Albrecht Göschel vom Deutschen Institut für Urbanistik gleich zum großen Gegenschlag gegen sämtliche Cyber-Euphorie aus. Berlin im Netz allein würde aus der Stadt auch keine Metropole machen, und Demokratisierungseffekte würden sich nicht allein durch den Zugang zum Netz ergeben. Passend seine Ausführungen zur gesamten Softmoderne: Nicht im Netz allein liegt die Heilsbotschaft, sondern darin, wie mit ihm umgegangen wird. Andreas Hartmann