Kopfschuß aus dem Konsulat?

■ Fast zwei Wochen nach der Schießerei an Israels Konsulat erlag jetzt ein vierter Kurde seinen Verletzungen. Kurdische Augenzeugen: Tödlicher Schuß traf den 26jährigen vor der Vertretung

Zehn Tage nach der versuchten Erstürmung des israelischen Konsulats am Aschermittwoch ist am Samstag früh ein vierter Kurde seinen Verletzungen erlegen. Von Brisanz könnten dabei die Aussagen von kurdischen Augenzeugen der Aktion sein, die behaupten, der Kurde habe den tödlichen Kopfschuß außerhalb der israelischen Vertretung erhalten.

Bisher hatte die israelische Seite betont, daß es nur einen einzigen Schuß aus dem Konsulat nach draußen gegeben habe – und dies sei lediglich ein Warnschuß in die Luft gewesen. Allerdings wurde auch eingeräumt, daß es eventuell Querschläger ins Freie gegeben haben könnte.

Die Frage, wo der Schuß abgefeuert wurde und wo er – außerhalb oder innerhalb der Vertretung – traf, könnte von strafrechtlicher Bedeutung sein: Schließlich hatten die Israelis immer unterstrichen, daß ihre Sicherheitsbeamten nur in Notwehr gehandelt hätten. Auch die Frage, ob die Tötungen rechtlich auf deutschem oder exterritorialem Gebiet begangen wurden, würde sich dann noch einmal stellen. Nach Angaben der Berliner Polizeipressestelle gehörte der nun gestorbene Kurde zu der Gruppe, die in das Generalkonsulat eingedrungen war.

Der Tote, so teilte die kurdische „Demokratische Emigranten Union“ mit, hieß Sinan Karakus. Er war 26 Jahre alt und wurde in Siverek in der Osttürkei geboren. Nach Informationen von Kurden hatte Karakus weder Frau noch Kinder. Er soll seit etwa anderthalb Jahren bei Verwandten in Berlin gelebt haben.

Nach Polizeiangaben hatte Karakus Asyl beantragt, das aber abgelehnt worden war. Seit Mitte März vergangenen Jahres sei sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen. Seit August habe eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung gegen ihn vorgelegen. Karakus lag seit der Schießerei am Konsulat in einem Berliner Krankenhaus im Koma.

Unterdessen kritisierte der Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, den Schußwaffengebrauch der Israelis: „Meine Kollegen standen im Kugelhagel“, sagte er dem Nachrichtenmagazin Focus. Die Berliner Morgenpost zitierte gestern einen kurdischen Augenzeugen, wonach ein Israeli vom ersten Stock des Konsulats aus in den Garten geschossen habe. Dabei sei ein Kurde von einem Streifschuß getroffen worden. Zu den Vorwürfen war bei den Berliner Behörden gestern niemand zu erreichen.

Unterschiedlich stark ist mittlerweile der Schutz türkischer Medien in der Hauptstadt. Nach einer telefonischen Bombendrohung schützt die Polizei den türkischen Fernsehsender TD1 in Wedding mit Absperrgittern, Wachpersonal und Stacheldraht – und zwar schon seit dem 16. Februar, wie es im Sender hieß. Dagegen erklärte der Berliner Büroleiter des türkischen Massenblattes Hürriyet, bei ihnen habe es keine Schutzmaßnahmen der Polizei gegeben. Sie hätten allerdings auch keine Drohungen erhalten und fühlten sich auch nicht bedroht. Philipp Gessler