Alternierende Rückenbrausehämmer und Beckengrundblubberer

■ Stein des Anstoßes: Die Sprudeldüsen des neuerrichteten Thermal-Solebades im brandenburgischen Bad Saarow

Eine gute Nachricht für alle Anhänger des Solebadens im Nordosten dieser Republik ist die von der Eröffnung des ersten brandenburgischen Thermal-Solebads in Bad Saarow. Das Schwimmen im warmen, weichen Salzwasser entspannt sowohl den Körper (Muskulatur) als auch den Geist (vegetatives Nervensystem) und war deshalb in der DDR streng verboten. Diktator Honecker duldete in seinem Staat bekanntlich niemanden, der weniger verknöttert aussah als er selbst. Entsprechend trostlos sah es in den DDR-Bädern vor der Wende aus.

Das neuerrichtete Thermal-Solebad in Bad Saarow muß dagegen den Vergleich mit der Creme de la Creme der West-Solebäder (Bad Salzuflen, Bad Soden oder selbst Bad Rappenau) nicht scheuen: Der palastähnliche Bau beherbergt neben zwei Außenbecken und einem Innenbecken (36 Grad) auch eine Sauna, einen begehbaren Eisschrank (!) sowie einen besitzbaren Backofen. Letzterem hat man den Namen „Rasul“ gegeben, was von einer gehörigen Portion Mut der Bad Saarower im Angesicht des weltweit an Einfluß gewinnenden islamischen Fundamentalismus zeugt: Der Fremdwörterduden übersetzt „Rasul“ mit „der Gesandte“, ein Synonym für den Propheten Mohammed.

Respekt nötigt aber auch die Vielzahl an „Sprudeldüsen“ (Der Tagesspiegel) ab, die in den Solebecken installiert wurden. Das Bad verfügt über etliche sog. „Beckengrundblubberer“ zur Po- und Beinmassage, zwei gewaltige „Rückenbrausehämmer“ (Wasserwerferstärke) zum Rückenmuskulaturzertrümmern und einen „Massagepilz“ (Der Tagesspiegel) mit Wasserfalleffekt, der zudem von einem „Strömungskanal“ umgeben ist, in dem der Badegast um den Pilz rotieren kann. Abgerundet wird dieses Wasserdüsenensemble durch an den Beckenwänden angebrachte Bein-, Bauch- und Rückenmassierdüsen, massierenden Whirlpooldüsen sowie „Whirlpoolgluckerdüsen“ mit geringerer Massagewirkung. Eine derartige Düsenmannigfaltigkeit haben Sole-Thermalbad-Connaisseurs selbst in Bad Salzuflen, Bad Soden oder Bad Rappenau nicht entdecken können.

Verständlich, daß der neue Bad Saarower Badetempel von den Brandenburgern begeistert begrüßt wird. Besonders gut wird der Strömungskanal angenommen: Immer wieder lassen sich juchzende Badegäste dicht an dicht, Schulter an Schulter und Oberschenkel an Oberschenkel um den Massagepilz treiben. Anders bei den diversen Sprudeldüsen. Zwar kann man auch hier eine allgemeine Düseneuphorie, ja eine regelrechte „Gier nach der Düse“ feststellen, zu konstatieren ist aber eine erschreckende Unkenntnis des Sprudeldüsenwesens unter den Badegästen. Wie international üblich, so werden nämlich im Bad Saarower Thermal-Solebad nicht alle Düsen gleichzeitig aktiviert, sondern alternierend. Das führt bei denen, die in der DDR und den ersten zehn Jahren Bundesrepublik, also über fünfzig Jahre, nicht bedüst worden sind, zu manch herber Enttäuschung. Schwimmer, die sich voller Vorfreude einer Seitenwandrückenmassierdüse nähern, werden ohne Vorwarnung mit einer abgeschalteten Düse konfrontiert, Menschen, die sich gerade erst überm Whirlpoolglukkerer entspannt haben, verstört das plötzliche Ausbleiben von aufsteigenden Gluckerblasen. Die Folge: Ein verzweifelter Kampf der Kräftigsten um die jeweils neu aktivierten Sprudeldüsen, oder bloße Düsenresignation bei den Schwächeren. „Na ja, im Kapitalismus is ebend ooch nich alles Jold wat jlänzt“ oder „Schon wieder belogen und betrogen“ sind Sätze, die man immer öfter hört. Keine Frage: In Bad Saarow macht sich Unmut breit.

Dem könnte allerdings ganz einfach abgeholfen werden, und zwar sowohl mit Permabedüsung als auch mit einem ausgeklügelten Düsenreglement, wie es in Bad Salzuflen und Bad Soden schon lange üblich ist. Um zu verhindern, daß eingefleischte „Düsenfreaks“ die Dauerdüsen stundenlang blockieren, befiehlt hier ein an der Thermalbadwand installiertes Licht- (Bad Salzuflen) oder kombiniertes Licht/Tonsignal (Bad Soden) etwa alle sechzig Sekunden das Weiterrücken der Massageheischenden. (In Bad Rappenau wird übrigens auf ein Signal verzichtet, da hier Permadüsen im Überfluß vorhanden sind.)

In Bad Saarow gilt es also zu handeln, bevor der allgemeine Sprudeldüsen-Unmut in einen großen Düsenaufstand mündet, vielleicht unter der Parole „Kommt die Permadüse, bleiben wir, kommt se nich, gehn wir zu ihr!“ Permabedüsung und ein festes Düsenreglement tun dringend not! Und das nicht nur in Bad Saarow.

Denn auch das spreewäldische Burg (sorbisch: Borkowy) will Sole-Heilbad werden. Schon Weihnachten 2001 will man das Bad eröffnen. Bleibt abzuwarten, ob die Bürger aus den eklatanten Bedüsungsfehlern von Bad Saarow gelernt haben. Sie sollten es: Wenn schon nicht aus Einsicht, dann doch aufgrund einer Haltung, die für ehemalige DDR-Bürger zumindest vertraut klingen muß: Aus Solidarität!

Christian Y. Schmidt