Verbalterror gegen „Terroristenfreunde“

Türkei beschuldigt Griechenland wegen seiner Hilfe für PKK-Chef Öcalan der Unterstützung des Terrorismus. Gegen die rhetorische Mobilmachung versetzt Athen seine Grenztruppen in Alarmbereitschaft  ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit hat am Wochenende schwere Beschuldigungen gegen Griechenland erhoben. Wie zuvor schon der türkische Staatspräsident Demirel und Generalstabschef Hüseyin Kivrikoglu wirft Ecevit der Regierung in Athen vor, den Terrorismus gegen die Türkei weiterhin zu unterstützen. Anlaß für die Vorwürfe ist die griechische Aufnahme der drei Kurdinnen, die den mittlerweile verhafteten PKK-Führer Abdullah Öcalan nach Kenia begleitet hatten. Die drei Frauen reisten am Freitag von Nairobi aus in Begleitung des griechischen Botschafters nach Athen und sollen dort Asyl bekommen.

Ecevit bezeichnete das Verhalten Griechenlands als „Straftat gegen die Menschheit“. Er sagte: „Griechenland steht mittlerweile an der Spitze der Länder, die dem Terrorismus die Arme öffnen.“ Schon vor Tagen hatte der türkische Staatspräsident Demirel die griechische Regierung der fortgesetzten aktiven Unterstützung des gegen die Türkei gerichteten Terrorismus bezichtigt. Wenn Griechenland damit nicht aufhören würde, müsse die Türkei von „ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch machen“.

Um dieser Äußerung den notwendigen Nachdruck zu verleihen, setzte die Militärführung am vergangenen Freitag noch eins drauf. Bei der Einweihung einer neuen militärischen Einrichtung in Erzerum sagte Kivrikoglu, flankiert von den vier Chefs der Waffengattungen (Heer, Luftwaffe, Marine plus Gendarmerie), Griechenland unterstütze Terroristen. Die ganze Welt habe das zur Kenntnis genommen.

Ausgangspunkt der Attacken sind der Aufenthalt Abdullah Öcalans in der griechischen Botschaft in Kenia vor seiner Festnahme, aber auch die Aussagen, die Öcalan mittlerweile über die Unterstützung der PKK durch Griechenland gemacht haben soll. Danach wurden Kader der PKK in griechischen Lagern militärisch ausgebildet. Griechenland habe der PKK Waffen bis hin zu US-amerikanischen Stinger-Raketen geliefert, und selbst die orthodoxe Kirche in Griechenland habe für die PKK gesammelt. Ankara fordert, daß die griechische Regierung diese Verwicklungen zugibt und vor allem die weitere Unterstützung der PKK einstellt. Die Lager sollen aufgelöst und „Terroristen“ kein Asyl gewährt werden. Die türkische Regierung will sich im Europarat und in der Nato über Griechenland beschweren.

Obwohl die militärische Drohung, die bei Staatspräsident Demirel anklang, nicht weiter präzisiert wurde, hat die griechische Regierung prompt reagiert und ihre Grenztruppen in Thrakien und auf den ägäischen Inseln in Alarmbereitschaft versetzt. Auch wenn es bislang keine Anzeichen dafür gibt, daß der Schlagabtausch zwischen den beiden Nato-Partnern tatsächlich bis zu einem bewaffneten Konflikt eskaliert, sind die sowieso bereits schlechten Beziehungen der beiden Nachbarländer damit auf einem neuem Tiefpunkt angelangt.

Die Türkei hat überdies angekündigt, die durch den damaligen Präsidenten Turgut Özal Anfang der 90er Jahre als Geste des guten Willens aufgehobene Visumpflicht für Griechen wieder einzuführen. Die griechisch-türkische Handelskammer hat alle Treffen suspendiert, und ihr Vorsitzender, der Großindustrielle Kamil Koc, eine der einflußreichsten Figuren des Landes, hat sein Amt niedergelegt.

Eine Lösung der Zypernfrage, an der sich alle Beteiligten konstruktiv beteiligen müßten, ist damit für absehbare Zeit ebenfalls völlig unmöglich geworden. Und auch die übrigen Streitfragen zwischen den beiden Ländern bleiben unausgeräumt. Selbst die USA resignieren angesichts des weiter eskalierenden griechisch-türkischen Konflikts. Zu den größten außenpolitischen Frustrationen seiner Amtszeit, bekannte Bill Clinton jetzt, gehöre der ungelöste Streit der beiden Mittelmeerstaaten.