Trittin enttäuscht in allen Lagern

Umweltminister beruft neue Experten, die nach einem Endlager suchen sollen. BI Lüchow-Dannenberg ist enttäuscht: Nur Befürworter von Gorleben  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Entsetzt ist die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg über die personelle Zusammensetzung einer Expertengruppe, die im Auftrag von Umweltminister Jürgen Trittin Eignungskriterien für ein atomares Endlager erarbeiten soll. In das aus 13 Männern bestehende Gremium, das am Freitag seine erste Sitzung hatte, habe Trittin mehrheitlich ausgewiesene Befürworter eines atomaren Endlagers in Gorleben berufen, kritisierte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke gestern.

Das Verhalten von Trittin erinnere fatal an die später gebrochenen Versprechungen von SPD- oder CDU-Politikern, die mit unwahren öffentlichen Absagen an Atomprojekte in Lüchow-Dannenberg die Bevölkerung hinters Licht führen wollten. „Bei seinem Besuch im Landkreis hat der Bundesumweltminister erst vor der BI von einem Abbruch der Arbeiten im Endlager gesprochen und anschließend vor den Beschäftigten des Endlagerbergwerks nur noch von einer Unterbrechung der Salzstockerkundung“, sagte Ehmke.

Aus Anlaß des 22. Jahrestages der Benennung von Gorleben zum Endlagerstandort hatte die BI am Samstag zu einer symbolischen Blockade der Atomanlagen aufgerufen. An der Demonstration rund um das Zwischenlagergelände, auf dem auch die fast fertige Pilotkonditionierungsanlage PKA liegt, beteiligten sich an die hundert Bauern mit Traktoren und mehr als 3.000 der knapp 50.000 Bewohner des Landkreises. Vor dem Tor zur PKA, in der abgebrannte Brennelemente endlagerfähig verpackt werden sollen und deren Betrieb im Frühsommer genehmigt werden soll, errichteten die AKW- GegnerInnen eine symbolische Blockade aus Sandsäcken.

Auf die von Trittin berufene Expertengruppe zur Entwicklung von Endlagerkriterien hatte die BI bisher große Hoffnungen gesetzt. Als der Salzstock 1977 vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) als Standort benannt wurde, galten noch zwei für den Atommüll unpassierbare natürliche Barrieren als Kriterium für die Eignung zum Endlager. Undurchlässige Gesteinsschichten über dem Salzstock – das Deckgebirge – sollten obere und untere Grundwasserschichten trennen. Auch eine große Masse homogenes Steinsalz sollte den Atommüll sicher einschließen. Die Untersuchung ergab, daß ausgerechnet über dem zum Endlager vorgesehen Salzstock statt eines Deckgebirges eine aus der Eiszeit stammende Rinne liegt. Außerdem wurden wasserleitende Schichten festgestellt, die bis zu mehrere hundert Meter in den Salzstock hineinreichen.

Die Befürworter des Endlagers, die jetzt in der Kriteriengruppe wieder die Mehrheit haben, beharren daher schon seit zehn Jahren nicht mehr auf dem Einschluß des Atommülls hinter mehreren Barrieren, sondern auf die Verdünnung der austretenden Radioaktivität. Sie wollen nachweisen, daß auf der Erdoberfläche über dem Salzstock die Grenzwerte für Radioaktivität nicht überschritten werden. Als Protagonisten dieser „unterirdischen Verklappung von Atommüll“ sieht Wolfgang Emhke den jetzt von Trittin berufenen Helmut Röthemeyer, Abteilungsleiter beim Bundesamt für Strahlenschutz. Nur 3 der 13 berufenen Experten seien kritische Wissenschaftler, sagte Ehmke.