„Kein Tor ist scheiß'“ – das ist alles, was man weiß

■ Nach dem 0:0 gegen Hertha BSC herrscht Hysterie bei Schalke: Warum kriegt Schalke das Ding nicht rein? Dabei ist die Antwort klar: Weil Schalke die miserabelste Chancenverwertung der Bundesliga hat

Gelsenkirchen (taz) – Vielleicht war es der Sog des historischen Ereignisses: Noch niemals in der Bundesligageschichte hat es an einem Spieltag gleich fünf Partien gegeben, in denen kein einziges Tor fiel. Jedenfalls begann am Sonntag abend, als der FC Schalke 04 und Hertha BSC diesen Rekord perfekt gemacht hatten, unter den Gelsenkirchenern ein großes Wehklagen. „Kein Tor ist scheiß'“, sagte der Halbstürmer Michael Goossens. „Es ist auch eine Qualität, seine Chancen zu nutzen“, krittelte Trainer Huub Stevens. „Es fehlt uns, daß man heiß ist, das Ding reinzuschmettern“, analysierte Andreas Müller und verordnete sich und den anderen: „Man muß torgeil sein.“

Ohne den Charme von Goossens' französischem Akzent klang dieses Bekenntnis des Kapitäns ungleich mahnender. Der Verein, sagte Müller dann auch noch, stecke „mittendrin im Abstiegskampf“ und habe als gegenwärtig zwölfter (22 Punkte) nur ein „kleines Polster“ auf Rang 16.

Fünf Punkte Vorsprung vor Hansa Rostock sind kein Vermögen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Und wenn man am Freitag beim Tabellensiebzehnten 1. FC Nürnberg verlieren sollte, sähe es wirklich nicht mehr gut aus. Etwas übertrieben ist die Panik trotzdem. Wird aber vom nach seiner Achillessehnenoperation noch pausierenden und sehr vermißten Kapitän und Führungsspieler Olaf Thon („Was im Fußball zählt, sind die Tore.“) genauso geschürt wie von Manager Rudi Assauer: „Irgendwann rutscht wieder einer rein – und dann ist er drin.“ So viel Beschwörung – man hätte denken müssen, Schalke habe seit dem Sommer nicht mehr getroffen. Dabei liegt die letzte Partie ohne Torerfolg dreieinhalb Monate und neun Spieltage zurück.

Es muß also die bloße Anmutung des Spiels gewesen sein, die diesen Männern zu schaffen machte. Die Partie gegen Berlin war ein Spiel nur auf das Tor von Herthas Keeper Kiraly, anfangs mit Chancen im Fünf-Minuten- Takt. Fast jeder durfte mal und alle vergaben, besonders Martin Max, der als einziger Stürmer aufgeboten war. Max rackern und rennen und dann scheitern zu sehen, verdeutlicht am besten, daß die Mannschaft tatsächlich ein meßbares Problem hat: die mit Abstand schlechteste Chancenverwertung aller Bundesligisten. Weil sich aber die Spieler am Sonntag wieder einmal ganz besonders viel Mühe gaben, war auch die Stimmung auf den Rängen ermutigend. Solange Knappen kämpfen, ist fast alles gut. Und ein bißchen Leid frischt jede Leidenschaft wieder auf, die durch allzu erfolgreiche Jahre leichte Abnutzungserscheinungen aufweist.

Bleibt die Frage, wozu Hertha BSC nach Gelsenkirchen gekommen war, der Verein, der Schalke 04 in dieser Saison als Kandidat für eine Führungsrolle in der Liga abgelöst und angeblich internationale Ambitionen hat, was Tabellenposition fünf auch noch ermutigt. So schlecht und chancenlos wie die Berliner spielten, machte es aber den Eindruck, sie seien nur angereist, um rechtzeitig wieder das Flugzeug heimwärts zu erreichen. Katrin Weber-Klüver

FC Schalke 04: Reck – Müller – de Kock, van Hoogdalem – Eigenrauch, Alpugan, Kmetsch, Büskens – Hami (81. Wolf) – Boossens (73. Anderbrügge), Max

Hertha BSC: Kiraly – Herzog, Neuendorf (57. van Burik), Sverrisson – Covic (67. Thom), Schmidt, Dardei, Tretschok, Hartmann – Preetz, Aracic – Zuschauer: 41.100

Tore: vorläufig eher nicht