Schweigen über den Profit der neuen Besitzer

■ Die PariserInnen haben bisher nichts von der Privatisierung ihrer Wasserversorgung. Das Netz erhielten zwei Konzerne gratis, weil die Stadt angeblich die Renovierung nicht bezahlen konnte

Von wegen Konkurrenzkampf durch Liberalisierung. In Paris haben sich die beiden Großen im französischen Wassergeschäft das Territorium friedlich aufgeteilt. Ganz einfach längs der Seine. In den Arrondissements links vom Fluß liefert die Suez Lyonnaise des Eaux das Wasser, auf der rechten Seine-Seite die Générale des Eaux.

Beide holen die Ware in einem der sieben Reservoirs an den Stadttoren ab. Beide halten die Rohre auf ihrer Seine-Seite instand. Und beide halten sich weitgehend aus den teuren Großinvestitionen heraus. Für die „Wasserproduktion“ und die Wasseranlieferung aus dem Pariser Umland, für die Wartung der Aquädukte und der großen Transportrohre und für den Bau neuer Fabriken für die Wasseraufbereitung ist die Semap zuständig. In deren Kapital sind die beiden Privaten zwar mit je 14 Prozent des Kapitals vertreten. Aber 70 Prozent der Semap sind öffentliche Gelder.

Der Pariser Bürgermeister, der die Privatisierung – den Wählern schamhaft als „Delegation“ oder „Pachtvertrag“ verkauft – binnen weniger Monate Ende 1984 und Anfang 1985 durchzog, rechtfertigte sie mit den Löchern in den beinahe 100 Jahre alten städtischen Wasserrohren. Nur Privatunternehmen könnten die nötigen Reparaturarbeiten „angesichts von 20 bis 30 Prozent Wasserverlust“ finanzieren, sagte der heutige Staatspräsident Jacques Chirac damals.

14 Jahre danach gibt ihm der Direktor der Mischgesellschaft Semap, der vor der „Privatisierung“ in der städtischen Wasserversorgung tätig war und seither in der privaten Wasserwirtschaft arbeitet, immer noch recht. „Für Paris war es die richtige Lösung“, sagt François Ozanne, „sie brachte eine hervorragende Verbesserung des Ertrags.“ Dank der Reparaturarbeiten an den 1.800 Kilometern Pariser Trinkwasserleitungen sei der Wasserverlust auf heute nur noch zehn Prozent reduziert worden.

Den PariserInnen kommt diese Ertragsverbesserung nicht zugute. Sie müssen heute Wasserpreise zahlen, die dreimal höher sind als 1985. Das kann nicht einmal ihr zwischenzeitlich reduzierter Wasserverbrauch (statt 324 Litern pro Tag und Kopf im Jahr 1990 benutzten die PariserInnen nur noch 295 Liter im Jahr 1994) ausgleichen.

Wieviel Geld die beiden in Paris verdienen, gehört zu den neuen Undurchschaubarkeiten des Pariser Wassers. Auch in der Frage, ob sie die Wassergewinne in ihren vielfältigen anderen Geschäftstätigkeiten, etwa die Einrichtung von Privatkrankenhäusern und Hotels, investieren, oder ob sie dieses Geld wieder dem Pariser Wasser zufließen lassen, gibt es keine Transparenz. Fest steht, daß die beiden Konkurrenten Ende der 80er Jahre in ihrem weltweiten Wassergeschäft jährliche Gewinnzuwächse zwischen 30 und 40 Prozent verzeichneten.

Was die Stadt Paris finanziell von der „Privatisierung“ des Wasservertriebs gehabt hat, ist noch schwerer nachvollziehbar. Einnahmen aus dem Pachtgeschäft hat sie nicht. Suez Lyonnaise des Eaux und Générale des Eaux mußten nichts dafür zahlen und sich lediglich zur Instandhaltung des ihnen überlassenen Rohrleitungsnetzes verpflichten. Die Gewerkschaften der rund 1.200 städtischen WasserarbeiterInnen, die 1984 geschlossen gegen die „Privatisierung“ stimmten, sind überzeugt, daß alle nötigen Arbeiten auch aus dem Stadtsäckel hätten finanziert werden können und daß die „Privatisierung“ die PariserInnen letztlich teurer zu stehen kommt. „Man hat uns mit dem Preis erpreßt“, stellte die Gewerkschaft CGT Jahre später fest: „Die Regierung erlaubte der Stadt Paris nur eine Erhöhung des Wasserpreises von 4,5 Prozent. Mit nur 6 Prozent Preiserhöhung wäre eine Privatisierung vermeidbar gewesen.“

Als die CGT diese Bemerkungen Anfang der 90er Jahre veröffentlichte, war der Preis für den Kubikmeter Wasser in Paris bereits um 16 Prozent gestiegen. Dorothea Hahn