Bald alles Wasser privat

Die Wasserversorgung in Städten: In zehn Jahren sind die Kommunen aus dem Geschäft, hofft die Branche  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Rund um den Globus haben sich in den letzten Jahren immer mehr Großstädte entschieden, ihre kommunale Wasserversorgung zu privatisieren. Anstelle der Gemeinden hat eine kleine Gruppe von französischen und britischen Konzernen, die von sich behaupten, das Wasser besser als andere zu beherrschen, die Kontrolle auf dem Weltwassermarkt übernommen. An ihrer Spitze stehen zwei französische Multis: Die Mischkonzerne Suez Lyonnaise des Eaux und die Générale des Eaux, die sich seit dem vergangenen Jahr mit dem klangvollen Namen Vivendi schmückt.

Nach den Wasserprivatisierungen in Metropolen wie Buenos Aires oder Sydney, Ho-Chi-Minh- Stadt, Mexiko-Stadt, Jakarta oder Rio de Janeiro werben die WasserunternehmerInnen (die sich zu diesem Zweck mit deutschen PartnerInnen wie RWE und Thyssen verbündet haben) gegenwärtig um Berlin. Überall wollen die Bürgermeister mit dem Verkauf ihrer Betriebe die Stadtkassen entlasten.

Mit der „Haushaltslücke“ argumentierte auch Margaret Thatcher, als sie vor gut zehn Jahren die Wasserversorgung einer britischen Stadt nach der anderen verhökerte. Damals entstanden die britischen Konzerne Thames Water, Severn Trent und United Utilities, die heute im internationalen Geschäft, von den USA bis Europa, mitbieten.

Die Ursprünge der Unternehmen Suez Lyonnaise des Eaux und Générale des Eaux sind älter. Beide entstanden Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Den Weltrang beim Wasser erklommen jedoch auch sie erst ab den 80er Jahren, als in Frankreich die Privatisierungswut ausbrach. Inzwischen sind über drei Viertel der französischen Städte wasserprivatisiert, werden Neubauten routinemäßig mit Wasserzählern ausgestattet und ist das vormals vielerorts spottbillige Wasser zum Luxusartikel geworden.

Eine höhere Qualität als das öffentliche Wasser hat das privatisierte nicht. 1990, als es noch mehr Vergleichsmöglichkeiten als heute gab, ermittelte das Pariser Umweltministerium, daß die VerbraucherInnen durchschnittlich 40 Prozent mehr für privates als für öffentliches Wasser zahlen mußten. Die beiden Wassermultis haben sich das Land aufgeteilt. Die Grenzen zwischen ihren Territorien verlaufen vielfach entlang politischer Merkmale. Die Suez Lyonnaise des Eaux, deren Generaldirektor Jérome Mônod früher Generalsekretär der RPR, der Partei von Präsident Jacques Chirac, war, ist stärker in gaullistischen Orten engagiert. Die Générale des Eaux machte mehr Geschäfte mit PS- und UDF-regierten Gemeinden.

Daß bei der Verteilung des Wassers Bestechungsgelder geflossen sind, ist inzwischen gerichtlich bestätigt. Zum Beispiel in Grenoble, wo eine Tochter der Suez Lyonnaise des Eaux dem Bürgermeister und späteren Minister Alain Carignon nicht nur Luxusappartement und Luxusreisen gönnte, sondern auch einen erfolgreichen Wahlkampf unterstützte. Der Bestochene wurde 1995 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Seine BestecherInnen bekamen kleinere Strafen. Heute kontrollieren sie das Wassser von Grenoble.

In Frankreich und im Rest der Welt beweisen die beiden Multis nun alljährlich, daß sich mit dem Wasser Milliarden verdienen lassen. Weltweit hängen bereits über 70 Millionen Menschen am Tropf der Suez Lyonnaise des Eaux (Konzernjahresumsatz 1998: 31 Milliarden Euro, davon 5,1 Milliarden Euro mit Wasser). Allein im Wassergeschäft lag ihre Umsatzsteigerung im vergangenen Jahr bei über acht Prozent. Auch bei der Générale des Eaux (Jahresumsatz 1998: 31,6 Milliarden Euro) gehört das Wasser mit rund zehn Prozent gegenwärtig zu den starken Wachstumsbereichen.

Ausgereizt ist das Geschäft mit dem Wasser noch lange nicht. Deutschland, wo bislang nur ein paar Mittelstädte wie Rostock und Goslar ihr Wasser in private Hände gegeben haben, aber viele in den Startlöchern sitzen, ist ein verheißungsvoller „Zunkunftsmarkt“. Im nächsten Schritt wollen die Multis auch die Kontrolle der Wasserhähne von Osteuropa übernehmen. Berlin soll dafür als „Schaufenster“ dienen.

In zehn Jahren, so hofft Philippe Brongniart, Direktoriumsmitglied bei der Suez Lyonnaise des Eaux, wird es weltweit keine Großstadt ohne private Wasserversorgung mehr geben.