Streit um Wahlverlauf überschattet Obasanjos Sieg

■ Nigeria: Wahlbeobachter melden „ernste Unregelmäßigkeiten“. Wahlverlierer will klagen

Berlin (taz) – In Nigeria ist der frühere Militärherrscher Olusegun Obasanjo gestern offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Samstag erklärt worden. Nach Angaben der Wahlkommission erhielt er 62,78 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen 37,22 Prozent für seinen Gegenkandidaten Olu Falae. In absoluten Zahlen stimmten 18.738.154 Wähler für Obasanjo und 11.110.287 für Falae.

Obasanjos Sieg wurde von einer wachsenden Polemik über die Echtheit des Wahlergebnisses überschattet. Falae erklärte das Resultat zur „Farce“ und sagte: „Dies war keine freie und faire Wahl“. Seine Partei APP (All People's Party) erwägt nun gerichtliche Schritte, um die für den 29. Mai geplante Amtsübernahme Obasanjos als nigerianischer Staatschef zu verhindern. Die mit der APP verbündete AD (Alliance for Democracy), aus deren Reihen Falae ursprünglich aufgestellt worden war, sagte: „Was jetzt passiert, ähnelt einem Putsch.“

Merkwürdigkeiten gab es bei dieser Wahl viele. In Teilen des unruhigen Niger-Deltas wurden offizielle Wahlbeteiligungen von 100 Prozent gemeldet – auch dort, wo nach Angaben der Wahlbeobachter kaum jemand wählen gegangen war. Im dünnbesiedelten Bundesstaat Rivers sollen 1.565.603 Menschen ihre Stimme abgegeben haben, fast so viele wie in Nigerias größter Stadt Lagos. Über 86 Prozent dieser Stimmen entfielen auf Obasanjo.

Einheimischen Beobachtern zufolge wurden nicht nur in Rivers, sondern auch in den Bundesstaaten Nassarawa, Kaduna, Bayelsa und Enugu Wahlurnen massiv mit vorab ausgefüllten Stimmzetteln gefüllt. In allen diesen Staaten lag Obasanjos Stimmenanteil schließlich bei über 70 Prozent. Aber auch aus Falae-Hochburgen wurden solche Praktiken gemeldet.

„Ich würde sagen, das ernsteste Einzelproblem war die Inkompatibilität zwischen der von uns an Wahllokalen beobachteten Anzahl der Wähler und der gemeldeten Anzahl“, sagte der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter, der eine Delegation von Wahlbeobachtern leitete. „Unsere Delegierten und andere waren Zeugen ernster Unregelmäßigkeiten und offener Wahlfälschung in einer Reihe von Bundesstaaten.“ Auch die EU-Wahlbeobachter erklärten, sie seien „ernsthaft besorgt“.

Doch zögerten die Beobachter, daraus Konsequenzen zu ziehen. Carter sagte: „Es gab kein landesweites Muster zugunsten einer Partei.“ Die EU-Beobachter erklärten: „Wir haben keine Beweise dafür, daß es einen systematischen Versuch gab, die Ergebnisse auf Bundesstaatsebene oder nationaler Ebene zu fälschen.“

Das schließt solche Versuche auf lokaler Ebene nicht aus, und sie scheinen insgesamt doch Obasanjo favorisiert zu haben. Der Wahlsieger gestand dies gestern indirekt ein, als er sagte, die Unregelmäßigkeiten seien von „Ignoranten“ begangen worden und dürften nicht zur Anzweifelung des Ergebnisses benutzt werden. „Ich glaube nicht, daß irgendwo auf der Welt Wahlen von perfekten menschlichen Wesen abgehalten werden“, sagte er. Diesen Anspruch allerdings hatte auch niemand gestellt. Dominic Johnson