Sparkurs für die Versicherten

■ Eine Klinik weniger? Krankenkassen kündigen in Bremen Rationalisierungskurs an, sobald die Gesundheitsreform greift

Die rot-grüne Koalition in Bonn will den Krankenkassen mehr Mitspracherechte bei der Krankenhausplanung geben. Gleichzeitig sollen die Kassen den Ländern einen Großteil der Finanzierung abnehmen. Gegen diese neue „Allmacht“ der Kassen hat die Bremer Krankenhausgesellschaft vergangene Woche in der taz protestiert.Wir sprachen jetzt mit Karl Nagel vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) über mögliche neue Hoheiten, die bislang Gesundheitssenatorin Tine Wischer (SPD) innehat.

taz: Die Kassen in Bremen haben immer wieder gefordert, ein Krankenhaus dichtzumachen. Stehen Sie jetzt weiter dazu?

Karl Nagel, Leiter der VdAK-Landesvertretung: Wir sagen nicht global: Das Haus und die Klinik müssen schließen. Es geht aber nicht, daß wir zum Beispiel in zwei verschiedenen Häusern Abteilungen für Handchirurgie und für Urologie vorhalten. Da müssen wir Doppelkapazitäten, wie sie zum Beispiel zwischen Roland-Klinik und der St. Jürgen-Klinik bestehen, in der St. Jürgen Straße konzentrieren.

Die Roland-Klinik würde zwei Disziplinen verlieren, könnte dann aber wohl dichtmachen?

Nein, darum geht es nicht. Es gibt durchaus Möglichkeiten, daß man in der Roland-Klinik dann andere Disziplinen anbietet. Da gibt es vielfältige Überlegungen mit Blick auf die Möglichkeiten, die die Politik uns in Zukunft hoffentlich einräumen wird

Die Krankenhausgesellschaft will lieber Kooperation statt Konzentration: So wurde z.B. die Kinderklinik Links der Weser nicht geschlossen und an die Kinderklinik in der St. Jürgen-Straße verlegt?

Wir sind dafür eingetreten, daß die Kinderklinik in der St. Jürgen Straße konzentriert worden wäre. Das ist auch eine Frage der Qualität der ärztlichen Leistungen. Mit tendenziell weniger Betten pro Klinik werden auch weniger spezialisierte Behandlungen erbracht. Im Ergebnis bedeutet das eine Qualitätsminderung. Auch wenn Links der Weser hoch ausgelastet ist, muß man so etwas verstärkt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen. Ich denke, es ist für jeden zumutbar, von Kattenturm in die St. Jürgen-Klinik zu fahren.

Ein Argument für den Erhalt war, daß Bedarf da ist. Bislang setzt die Gesundheitsbehörde den Bettenbedarf für alle Kliniken fest – u.a. nach Analyse der Bevölkerungsentwicklung. Entscheiden die Kassen künftig fast nur noch fiskalisch?

Neben der Bevölkerungsentwicklung muß man auch die Fortschritte in der Medizin betrachten. Wenn beispielsweise eine große Bauchoperation gemacht wird, lag der Patient in der Vergangenheit drei bis vier Wochen im Krankenhaus und ist jetzt nach zehn Tagen wieder heraus. Das sind echte Bettenkapazitäten, die sich summieren. Bei der Fortschreibung des Krankenhausplanes wurde aus der Gesundheitsbehörde der Abbau von 700 Betten gefordert. Wir gingen von 1.400 aus. Die Politik ist diesem Ansatz leider nicht gefolgt. Die Versicherten der Krankenkassen sind aber nicht dazu da, Ar-beitsmarktpolitik für die Beschäftigten in den Kliniken zu betreiben.

Also müßten Sie konsequent sein und die kleine private Paracelsus-Klinik schließen, deren Versorgungsauftrag Sie schon vor drei Jahren gekündigt haben? Da verweigerte die Gesundheitsbehörde bislang die Zustimmung.

Wenn eine Paracelsus-Klinik bestimmte Disziplinen anbietet, kann auch die Möglichkeit bestehen, daß sie sich da Rosinen aus dem Kuchen pickt und teure Disziplinen anderen überläßt. Unter diesem Aspekt würde ich dieser Klinik überhaupt keinen Sonderstatus einräumen, sondern genau da einordnen, wo die Bedarfsfrage anfängt.

Konzentration kostet Personal. Die Bremer klagen schon jetzt über Personalabbau.

Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, daß die Versorgung optimal läuft. Natürlich ist das Personal ausgelastet, aber trotzdem ist es immer freundlich. Das spricht dafür, daß die Personalkapazitäten so schlecht nicht sein können. Wir haben noch nie so viele Beschäftige pro Krankenhausbett im stationären Bereich gehabt wie heute.

Und wie wollen Sie beim angekündigten Abbau gleichzeitig die Qualität halten?

Der Abbau überflüssiger Kapazitäten bedeutet nicht, daß gleichzeitig die Qualität abnimmt. Qualitätssicherung kann auch dadurch erfolgen, daß Fachärzte des Krankenhauses auch ambulant behandeln können. Wenn man die Investitionskosten für einen Kernspintomographen betrachtet, dann kann es nicht sein, daß solch ein Gerät in der Klinik und gleichzeitig in diversen Vertragspraxen vorgehalten wird und überall nur zeitweise genutzt wird. Solche Millioneninvestitionen können wir uns einfach nicht leisten.

Fragen: Katja Ubben