Jenseits von Jovanotti

■ Romanisten aufgepaßt: Italo-HipHop mit Tempo Al Tempo und Lou X im Tacheles

In Sachen Mode mag Italien ja ein Maßstab sein. Aber in Sachen Musik? Der pomadige Pizzeria- und Eisdielen-Pop eines Eros Ramazotti, der gespreizte Italo-Rock einer Gianna Nannini oder eines Zucchero – also bitte! Auch der legere Serenata-Rap eines Jovanotti fügt sich locker in diese Liste leichtverdaulicher Pop-Antipasti.

Jenseits von Jovanotti hat sich in Italien jedoch in den letzten Jahren eine HipHop-Szene herausgebildet, die einiges an Substanz zu bieten hat, musikalisch wie messagetechnisch. Denn anders als in Deutschland hat HipHop in Italien einen dezidiert politischen Hintergrund: nicht in aufgeräumten Stuttgarter Kinderzimmern, sondern in autonomen Jugendzentren, den selbstverwalteten Centri Sociale, keimte der Samen der Bewegung. Alte Fabriken und leerstehende Häuser, in den späten Siebzigern Treffpunkt für Ausreißer und Arbeitslose, Künstler und Kiffer, sie avancierten in den achtziger Jahren zur Probebühne für angehende MCs, DJs, Breakdancer, Writer und Sprayer.

Harte Beats gegen schlappe Amore-Schlager. Nicht so geschniegelt und glatt wie der typische Papagallo-Pop der italienischen Charts und anders als der deutsche Wohlstands-HipHop, ist der Italo-HipHop ein Kind der Straße, wie aus dem Jugendkulturkatalog entsprungen: musikalisch ein Bastard aus Rap, Ragga und Jungle, ungezogen und bollerig, nicht selten dem regionalen Dialekt verhaftet – auch eine Attacke auf den inneritalienischen Rassismus, mit der sich der reiche Norden vom verarmten Süden des Landes abwendet.

Die Migration hat den italienischen HipHop über die Alpen gespült, bis nach Basel, kurz vor die deutsche Grenze. Dort, in der italienischen Diaspora, scharte der neapolitanische MC Fumo, schon zu Hause ein Vorreiter der Bewegung, ein paar Freunde vor Ort um sich, um dem italienischen HipHop-Gedanken auch in der Schweiz eine Form zu geben. Tempo Al Tempo nennt sich die Posse. Ihrem Debüt gaben sie den Bandwurmtitel „Transeurohiphopconnection“. Doch so richtig transeuropäisch agieren sie bisher noch nicht: zwar zollt man ihnen in der Schweiz und in Italien bereits Respekt, der musikalische Grenzübertritt nach Deutschland steht aber erst noch bevor.

Damit der gelingt, haben sich Tempo Al Tempo Begleitschutz organisiert: der Rapper Lou X, in Italiens HipHop-Szene bekannt als Pionier der ersten Stunde, übernimmt den Part des erfahrenen großen Bruders. Für eine besondere Finesse bürgt dagegen DJ Janiv: er scratcht den Plattenteller mit dem Bauchnabel. Daniel Bax

Heute ab 22 Uhr im Tacheles, Oranienburger Str. 54–56, Mitte