Neue Bitterkeit reformiert Leben

Lieber ein Flittchen-Imperium aufbauen als sich von Sentimentalitäten die Zukunft aufessen lassen: Die Lassie-Singers-Nachfolgeband Britta hat ein Album für Leute mit Hang zur Melancholie gemacht  ■ Von Gerrit Bartels

Wenn man vor einem Jahr Christiane Rösinger auf einem Britta- Konzert in einem kleinen Berliner Club Zeilen singen hörte wie „Es war schon besser, und es war schon schlimmer, und du sagtest, irgendwas ist immer“, schwante einem selten Gutes. Au Backe, dachte man sich, das klingt aber einsichtig, traurig und irgendwie resigniert. Mittlerweile aber hat sich eine Menge geändert, es ist nicht mehr „irgendwas“, das immer ist, sondern es ist ganz viel mit Christiane, Almut, den Flittchen, den Lassies, Britta.

War man bei der Abschiedstour der Lassie Singers und der Ankündigung, jetzt ein Label starten zu wollen, noch skeptisch, von wegen Sentimentalität fressen Zukunft auf, so hat sich in der Zwischenzeit mancher Nebel gelichtet, vor allem aber ein interessantes neues Modell herausgeschält: Statt tragisch scheitern heißt es bei den Damen jetzt erfolgreich scheitern. So wurde das Label Flittchen Records an den Start gebracht mit dem vielbeachteten „Stolz und Vorurteil“- Sampler und der Lassie-Singers- Resteverwertung. So läuft auch die zum Label gehörige Flittchen-Bar jeden Mittwoch im Maria am Ostbahnhof gut – auch oder gerade ohne DJ: Hier sammelt, erholt und vormodernisiert sich mancher Nachtlebengänger und erkennt, daß es abseits neuer Mitten viel spaßiger sein kann.

Und so erscheint nun auf Flittchen auch das mittlerweile vierte Album, eben Brittas „Irgendwas ist immer“. Ein Album, das eigentlich schon längere Zeit fertig ist, aber immer wieder das Pech hatte, nicht erscheinen zu könnnen.

Erster Eindruck beim Hören: Zielgruppenalbum; Musik für Dreißigjährige und aufwärts, die gern noch einmal zwanzig wären; geeignet nur für Leute mit Hang zur Melancholie. Und um diese auch mit einer gewissen Lust genießen zu können, braucht es einen reichhaltigen Erfahrungssschatz. Über jedem der dreizehn Britta- Songs liegt ein zarter Hauch Traurigkeit. „Desillusioniert und melancholisch, aber immer mit doppelt gebrochener Selbstironie und Chuzpe“, haben Britta sich in ihr Info geschrieben. Fragt man sich zwar, was da überbleibt vom Selbst und der Ironie, wenn die gleich zweimal gebrochen werden. Doch Christiane Rösinger würde sich mit Händen, Füßen und vielen Worten dagegen wehren, depressiv zu sein, gar zu resignieren. Britta, also Christiane Rösinger und ihre beiden Mitstreiterinnen Julie Miess und Britta Neander, zeigen, wie aus ungewollten Melancholikerinnen passionierte werden.

Irgendwas geht nämlich immer, „die Tür ist zu, es ist vorbei, eigentlich müßt ich jetzt traurig sein“, singt Rösinger in „Ich würde Flyer drucken lassen“, um sich gleich aber drüber zu wundern: „Woher kommt bloß diese Heiterkeit, vielleicht weil du mich schon länger langweilst.“

Diese Ambivalenz des Erlebens durchzieht bis auf eine Ausnahme jeden der Britta-Songs. Da hangelt sich eine vom Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit ins Sommerloch in die Herbsttraurigkeit, und doch „gibts immer mal noch Momente, die sind gut“. Da singt eine: „Wir stehen ratlos im Morgengrauen und frieren“, und zwar nach einer Nacht im 80er-Dunkelschuppen Ex'n'Pop, „aber wir werden nicht lamentieren.“ Und da kann auch die von Rösinger erfundene „Neue Bitterkeit“ – auf deren Copyright sie Wert legt, die sie aber, bescheiden wie sie ist, nicht wie all die Fremdzitate auf dem Britta-Album als Eigenzitat ausweist, – gar nicht bitter genug sein, schließlich hat die „ihr Leben reformiert“: „Ich kann's nicht genau beschreiben, es ist so leicht und heiter irgendwie.“

Und leicht und heiter irgendwie klingen dann irgendwann auch die Songs von Britta, die ersaufen tatsächlich nicht in der Melancholie, die entzünden Lichter, die auch das traurigste Dasein erträglich machen. Rösingers manchmal sehr hohe, aber selten zerbrechliche Stimme läßt einem auf diesem Album so manchen Schauer über den Rücken laufen, ein Genuß ohne Reue. Und wenn dann in Songs wie dem Titelsong, „Kuschelrock“, oder „Ich würde Flyer drucken“ ganz dezent und effektiv die Geigen und Cellos erklingen, fühlt man sich an die unbeschwerte Schwere der späten Go Betweens erinnert.

Klar, diese Musik ist Stimmungsmusik: Funktioniert wahrscheinlich am besten, wenn es regnet, die Freundin einen verlassen hat (oder umgekehrt) oder tausend andere Gründe die Schlechtigkeit der Welt belegen. Und da bekommt man schon den Eindruck, die vielleicht beste Platte in dem Genre (Indie/Song/deutschsprachig) im CD-Spieler laufen zu haben. Wenn zum Beispiel Jochen Distelmeyer von Blumfeld einfach verliebt und froh ist, hört man ihm das nicht immer an, zuviel anderes muß bei ihm noch mit reflektiert werden. Christiane Rösinger dagegen befindet sich immer in Zuständen nach dem vergeblichen Verliebtsein („vielleicht war's doch nur ein Idiot“), ist aber trotzdem froh, und genau die Spanne zwischen diesen beiden Gefühlsaggregaten hört man allen Songs auf „Irgendwas ist immer“ ziemlich genau an. Und das ist mehr als schön.

Britta: „Irgendwas ist immer“ (Flittchen/Efa), heute abend Record-Release-Party im Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8–10. Auch mit dabei: Neoangin und Art of Kissing