Migrantinnen haben mehr Totgeburten als deutsche Frauen

■ Der Kreuzberger Nachbarschaftsverein „Kotti e.V.“ will mit einem speziellen Schwangerschaftsprojekt für türkische Frauen Barrieren überwinden und Vertrauen schaffen. Ein Netzwerk soll die medizinische Versorgung gewährleisten

In Berlin bringen bedeutend mehr Migrantinnen tote Kinder zur Welt als deutsche Frauen. Das ist das Ergebnis einer Gesundheitsuntersuchung, die von verschiedenen Bezirken in Auftrag gegeben wurde. Auf einer Pressekonferenz machte gestern der Kreuzberger Nachbarschaftsverein „Kotti e.V.“ auf die Probleme von schwangeren Migrantinnen aufmerksam: Während auf 1.000 lebend geborene Kinder 2,9 Totgeburten von deutschen Müttern kommen, liegt die Quote bei Migrantinnen bei 4,2.

„Das sind fast doppelt so viele Totgeborene wie von deutschen Eltern“, sagte Monika Wagner vom Kotti e.V. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, daß 20 bis 30 Prozent Migrantinnenkinder mit erheblichem Untergewicht zur Welt kommen.

Die Ursachen dafür sieht Ingrid Papies-Winkler von der „Plan- und Leitstelle Gesundheit“ des Kreuzberger Bezirksamtes in der fehlenden Information bei der medizinischen Versorgung von schwangeren Migrantinnen. „Aufgrund erheblicher Sprachbarrieren fühlen sich ausländische Frauen oft unverstanden, ihre Probleme werden schlichtweg nicht wahrgenommen“, so Papies-Winkler. Dies führe dazu, daß Angebote für Schwangerschaftsuntersuchungen nicht angenommen oder Medikamente falsch eingenommen würden. Durch die Arbeit in der Schwerindustrie oder als Reinigungskräfte im Schichtbetrieb ergeben sich nach Angaben der Gesundheitsamts-Mitarbeiterin häufig Probleme. Der Gang zum Arzt unterbleibe aufgrund des fehlenden Vertrauens.

Nun will der Kotti e.V. speziell türkischen Frauen mit einem auf sie zugeschnittenem Programm „Rund um die Schwangerschaft“ helfen. Geplant sind zunächst Gruppentreffen. Aber auch Einzelgespräche sollen möglich sein. In Kooperation mit Kreuzberger Kinderärzten, Gynäkologen, Krankenhäusern und sozialen Projekten sollen Vorträge und Kurse zu den Themen Geburt, frühkindliche Entwicklung und Familienplanung angeboten werden. Bei Bedarf soll auch Schwangerschaftsgymnastik möglich sein. Von den jährlich 2.000 Geburten in Kreuzberg sind über die Hälfte Kinder von Migrantinnen, in der Mehrzahl türkische Frauen.

„Die Frauen sollen aktiv an der Veranstaltungsplanung der Schwangerenberatung teilnehmen“, erklärte gestern Monika Wagner. Damit dies möglich wird, soll ein Großteil der Beratungen in türkischer Sprache angeboten werden. Auch Väter sind herzlich willkommen. Doch da befürchtet die Projektleiterin Canije Serifova- Wichterich Probleme: „Viele türkische Väter möchten sich lieber mit Männern über ihre Probleme unterhalten“, sagte sie. Deshalb gebe es die Überlegung, zusätzlich einen männlichen Berater heranzuziehen. Das Projekt wird zunächst für drei Jahre mit Mitteln aus der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin gefördert. Projektleiterin Canije Serifova- Wichterich möchte „eine Brücke schlagen zwischen Ärzten, Hebammen und Krankenhäusern“. Alle Informationen sollen aus einer Hand stammen.

Mine Ayaz ist eine der Frauen, an die sich das Angebot richtet. In wenigen Monaten wird die 29jährige ihr drittes Kind zur Welt bringen. Die Türkin, die nur wenig Deutsch spricht, begründet ihr Interesse an dem Projekt so: „Ich möchte vor allem Erziehungsfragen diskutieren und mich mit anderen Frauen austauschen.“ Die Gruppe trifft sich jeden Dienstag von 10 Uhr bis 12 Uhr im Familiengarten des Kotti e.V. in der Oranienstraße 34. Sabine Kalinowski

Weitere Informationen: Kotti e.V., Tel. 6157991