■ Trotz Unregelmäßigkeiten: Nigerias Wahl muß anerkannt werden
: Augen zu und durch

Nigerias Präsidentschaftswahl war keine Sternstunde der Demokratie. An zahlreichen Wahlurnen wurden viel mehr abgegebene Stimmen als tatsächliche Wähler gezählt. Die Unterstützer des unterlegenen Kandidaten Olu Falae sprechen von Phantomwählern in Millionenhöhe, internationale und lokale Wahlbeobachter bestätigen ernste Unregelmäßigkeiten und ziehen vereinzelt den Sieg des pensionierten Generals Olusegun Obasanjo in Zweifel.

Aber Nigeria hat keine andere Wahl als eben diese Wahl. Das Land und die internationale Gemeinschaft kommen an der Anerkennung des Sieges von Obasanjo nicht vorbei. Denn die einzige Alternative wäre eine Wahlannullierung, und das hat Nigeria bereits 1993 erlebt – bei der Sabotage des letzten Demokratisierungsversuchs durch das herrschende Militär. Die Folge war die finsterste Diktatur in der Geschichte des Landes, die erst letztes Jahr mit dem Tod des Diktators Sani Abacha wieder zu Ende ging. Nigeria kann sich jetzt nicht noch eine gescheiterte Demokratisierung leisten. Eine unvollkommene Abstimmung ist heute für das Land besser als gar keine.

Politischer Fortschritt in Nigeria hängt heute von viel mehr ab als der korrekten Durchführung einer Wahl. Bedingung für eine erfolgreiche Überwindung der Militärherrschaft in Nigeria ist – ähnlich wie bei der Überwindung der Apartheid in Südafrika – das Stillhalten der herrschenden Schicht. Kandidat des militärischen Establishments in Nigeria war eindeutig Obasanjo, und es ist keineswegs sicher, daß die Militärs einen Sieg des Oppositionellen Falae klaglos hingenommen hätten. Den meisten Nigerianern ist klar, daß für einen reibungslosen Machtwechsel Obasanjo gewinnen mußte. Auch bei Südafrikas ersten allgemeinen Wahlen 1994 ging nicht alles mit rechten Dingen zu, aber dennoch war die Demokratisierung hinterher unumkehrbar.

Nun kommt es darauf an, die Demokratisierung Nigerias genauso unumkehrbar zu machen wie die Südafrikas. Die Militärjunta darf nicht den geringsten Vorwand erhalten, ihre Machtübergabe zu stornieren. Eher sollte sie Obasanjo jetzt ganz schnell das Amt des Präsidenten übertragen, und der neue Präsident sollte eine Regierung der Nationalen Einheit bilden, um die Wahlverlierer einzubinden. Bisher ist die Übergabe der Macht durch das Militär für den 29. Mai geplant. Diese Zeit ist viel zu lang angesichts der Unsicherheit, die jetzt aufgrund des schlechten Wahlverlaufs entstanden ist. In Nigeria droht ein Machtvakuum, und das ist gefährlich. Dominic Johnson