„Die SPD will die PDS klein halten“

■ PDS-Fraktionschef Gregor Gysi über den Annäherungskurs von Oskar Lafontaine, seine Illusionslosigkeit und die Macht seiner Partei im Bundesrat

taz: Haben Sie sich bei Lafontaine schon bedankt?

Gregor Gysi: Warum sollte ich?

Die SPD erweckt den Eindruck, sie sei auf die PDS angewiesen. Das muß Ihnen doch gefallen.

Selbst wenn es so wäre – es gibt keinen Grund, sich bei Lafontaine zu bedanken.

Ist es Ihnen egal, daß sich die SPD von ihrer „Dresdner Erklärung“ verabschiedet hat?

Das nicht gerade. Aber ehrlich gesagt: Ich habe schon gar nicht mehr daran gedacht, daß die SPD 1994 diesen Beschluß gefaßt hat, der eine Zusammenarbeit mit der PDS untersagt.

Jetzt hat Lafontaine Ihnen eine Hand entgegengestreckt. Schlagen Sie ein?

Seit Dezember 1989 spreche ich mich für eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten aus. Wer diese Gesellschaft verändern will, der muß seine Kräfte real einschätzen. Ohne oder gegen die SPD wird uns das nicht gelingen. Das heißt nicht, daß wir uns disziplinieren lassen oder etwa unser eigenes Profil aufgeben.

Die SPD will ihr Profil auch nicht aufgeben.

Die Sozialdemokratie steht vor einer zentralen Frage: Sucht sie den Kompromiß mit den Neoliberalen – und die finden Sie sowohl bei der Union, der FDP, den Grünen als auch in den Reihen der SPD selbst –, oder will sie lieber mit einer Partei zusammenarbeiten, die für soziale Gerechtigkeit steht.

Manche sehen das viel nüchterner: Die SPD will einfach nur Macht, und dafür ist ihr jedes Mittel recht. Wenn es sein muß, auch die PDS.

Ich mache mir da keine Illusionen: Alle in der SPD wollen die PDS klein halten. Eine wirkliche Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien wird es aber erst dann geben, wenn die SPD respektiert, daß es die PDS gibt und daß es sie geben muß. Es darf nicht um die Frage gehen, durch welche Form des Umgangs die PDS am schnellsten erledigt werden kann.

Sehen Sie genügend Übereinstimmungen zwischen der PDS und den Sozialdemokraten?

Wenn die SPD zu ihrem Berliner Parteiprogramm steht, dann sehe ich viele Übereinstimmungen, gerade was die soziale Gerechtigkeit betrifft. Das ist die Kernfrage des nächsten Jahrhunderts.

Glauben Sie an den Zufall, daß die SPD gerade in dem Moment der PDS Avancen macht, in dem sie ihre Mehrheit im Bundesrat verloren hat?

Dieser Zusammenhang liegt auf der Hand. Einige Sozialdemokraten werden sich einfach ausgerechnet haben, daß es schwieriger wird, im Bundesrat Kompromisse mit CDU-geführten Ländern zu finden, als beispielsweise mit Mecklenburg-Vorpommern, wo die PDS mitregiert.

„An uns können jetzt Gesetzesvorhaben scheitern“, haben Sie vor kurzem gesagt. Denken Sie wirklich daran, Gesetze der rot- grünen Regierung zu kippen?

Wenn die ökologische Steuerreform ein zustimmungspflichtiges Gesetz wäre, hätte ich meinen Genossen in Schwerin empfohlen, es im Bundesrat scheitern zu lassen. Denn diese Reform ist weder ökologisch noch sozial. Ähnlich sehe ich das bei der Neuregelung der 630-Mark-Jobs. Darüber wird im Bundesrat allerdings noch am 19. März abgestimmt, also mit der alten rot-grünen Mehrheit, die vor der Hessenwahl bestand.

Die PDS läßt also im Bundesrat ihre Muskeln spielen?

Ich plädiere dafür, daß die PDS bei den entsprechenden Möglichkeiten ihren Einfluß im Bundesrat geltend macht. Sie darf dabei nicht überziehen, also etwa ihre Macht zum Zwecke der Selbstdarstellung nutzen. Sie sollte aber auch nicht leichtfertig Gesetzen der rot-grünen Regierung zustimmen, denen man mit gutem Gewissen nicht zustimmen kann.

Glauben Sie, daß hinter Lafontaines jüngsten Erklärungen eine Strategie steckt? Würde die SPD auf Bundesebene im Jahre 2002 notfalls mit der PDS koalieren?

Das fragen sie lieber Lafontaine selber. Ich mache mich schlecht, den SPD-Chef zu interpretieren. Interview: Jens König