Ich und meine Magnum

Wenn Frauen richten: Todd Morris' reflektierter Rape-Revenge-Film A Gun For Jennifer startet im 3001  ■ Von Malte Hagener

Wenn der Staat mir nicht hilft, dann muß ich mir eben selber helfen: So denken von Charles Bronsons Amokläufer in Ein Mann sieht rot bis zu Michael Douglas in Falling Down zahlreiche Filmhelden. Wenn der eigene amerikanische Traum brutal zerstört wird und die Justiz versagt, dann rechtfertigt der pursuit of happiness eben auch die (männliche) Selbstjustiz. Für Frauen stelltesich dieses Problem anders dar, weil sie mit einem patriarchalischen Justizsystem konfrontiert sind, das von vorneherein in der weiblichen Sexualität eine Gefahr sieht. So bewegen sich die im Zeichen der Emanzipation der 70er und 80er antretenden weiblichen Pendants in Sachen Selbstjustiz vor einem gänzlich anderen Hintergrund. Frühe Beispiele schwankten zwischen purer Sex'n'Crime-Exploitation wie I Spit On Your Grave (1977) und komplexeren Verhandlungen wie Ms. 45 (1980), bevor das Genre mit Extremities (1985) und Blue Steel (1990) mainstreamtauglich wird.

Aus der New Yorker Independent-Szene kommt jetzt A Gun forJennifer, der dem Genre seine ursprüngliche Explosivität zurückgeben will, sich aber auch als Kommentar auf das Genre lesen läßt; im Genre des Rape-Revenge-Films nimmt er die Stellung ein wie im Western John Fords The Man Who Shot Liberty Valance. Beinahe klassisch führt er über eine Initiationsgeschichte in die Handlung ein: Eine junge Frau kommt aus dem Mittleren Westen, der reaktionären Mitte der Vereinigten Staaten, nach New York, wo sie eine Gruppe Frauen vor einer Vergewaltigung rettet. Halb fasziniert, halb gezwungen wird sie Teil der weiblichen Befreiungsarmee, lernt mit einer Waffe umzugehen und zollt mit der Namensänderung von Allison zu Jennifer symbolisch ihrer neuen Identität Tribut.

Anders als bei den meisten vorhergehenden Filmen wird allerdings nicht mehr nur persönliche Rache geübt, vielmehr beziehen die Stadtguerillas einen größeren gesellschaftlichen Kontext in ihr Werk ein. Schwänze abgeschnitten werden also nicht mehr nur dem direkten Aggressor, sondern auch Kinderpornographen und sonstigen Repräsentanten eines Systems, das bis aufs Mark verrottet ist. Daß sie ihre Informationen ausgerechnet aus sensationalistischen Medien beziehen, läßt sich als Naivität angesichts des medialen Beitrags zum Status Quo auslegen, aber auch als ironischer Kommentar auf den Willen der Medien stets am moralisch längeren Hebel zu sitzen, so daß Kindesmißhandlung auf dieselbe terroristische Ebene gerückt wird wie politische Befreiungskämpfe.

Das Rape-Revenge-Genre bezieht einen Teil seines Reizes daraus, daß es Gewalt und Sexualität darstellt – zwei der am meisten tabuisierten und zensierten gesellschaftlichen Bereiche. Den Zwiespalt zwischen dem staatlichen Gewaltmonopol und dem individuellen Anspruch auf Gerechtigkeit dramatisieren die Filme ebenso wie sie mit den optischen Reizen der Sexualität spekulieren. Diesen Widerspruch integriert A Gun For Jennifer direkt in die Handlung, indem die weiblichen Stadtguerillas ihren Lebensunterhalt als Kellnerinnen und Stripperinnen in einer Bar verdienen. Die körperliche Zurschaustellung bietet somit die materielle Basis, von der aus es möglich wird, den Rachefeldzug zu führen. Eine Kontinuität zu früheren Kampagnen entsteht dadurch, daß die Bar einer 70er-Jahre-Aktivistin der Frauenbewegung gehört – der Kreis schließt sich zwischen zwei Generationen, die inzwischen beim bewaffneten Kampf angelangt sind.

Und doch erteilt der Film der weiblichen Selbstjustiz nicht die moralische Absolution, sondern setzt ihr mit einer schwarzen Polizistin eine Identifikationsfigur entgegen, die mit den gleichen sexistischen Vorurteilen zu kämpfen hat, jedoch auf der anderen Seite steht. Als diese nun Jennifer zu einer Aussage bewegen will, verkörpert die Hauptfigur den Zwiespalt zwischen dem moralischen Recht zur Gegenwehr in einer unfairen Gesellschaft und rechtsstaatlichem Vorgehen, das wenig Erfolg verspricht. Doch der Film hält keine einfachen Antworten bereit, sondern vertraut auf die Intelligenz seines Publikums.

Do, 4. bis Mi, 17. März, 22.30 Uhr, 3001