Allesfresser aus Übersee

Waschbären sind in Hamburg längst keine Exoten mehr. Zu sehen sind die possierlichen Maskenträger dennoch eher selten  ■ Von Kristina Maroldt

Marder, Kaninchen oder Iltis – an diese Tierarten denkt man gewöhnlich, wenn von Wildtieren in der Stadt die Rede ist. Daß sich aber der ursprünglich in den USA beheimatete Waschbär inzwischen auch in Hamburg nach Herzenslust vermehrt, ist weniger bekannt. Kein Wunder, denn die überwiegend nachtaktiven Tiere sind in der Regel zwar öfter zu hören – Gerüttel an der Mülltonne – , aber nur selten zu sehen.

Für Harald Nieß haben die possierlichen Maskenträger in der Hansestadt schon lange keinen Exotenstatus mehr: „An die vier- bis fünfmal“, erzählt der kürzlich pensionierte Hamburger Jägermeister, sei er in seiner Amtszeit von verunsicherten HamburgerInnen in Sachen Waschbär zur Hilfe gerufen worden. „Da hatte der Bär beispielsweise das Katzenfutter weggefressen, und die Leute waren ganz verängstigt, weil sie so ein Tier ja nicht kannten.“ Harald Nieß rückte in solchen Fällen stets mit Kastenfalle und Fischköder an und fing die Tiere ein. „Danach werden sie in der Regel an sorgfältig ausgewählte private TierhalterInnen vermittelt“, beruhigt er.

Manchmal allerdings müßten die alamierten Jäger auch zum Gewehr greifen, dann nämlich, wenn Situation oder Gelände den Einsatz einer Falle unmöglich machten. Ein solcher Notfall trat in Hamburg 1997 ein: Damals erlegte ein Kollege von Harald Nieß eines der dachsgroßen Tiere und sorgte so dafür, daß ein Waschbär in der Hansestadt statistisch erwähnt wurde.

Dabei gibt es die Kleinbären mit der charakteristischen Gesichtsmaske in Deutschland schon seit Jahrzehnten. Genaugenommen seit dem 14. April 1934: Am hessischen Edersee wurden an diesem Tag zwei Waschbärpärchen ausgesetzt, um die heimische Fauna um die niedlichen Nordamerikaner zu bereichern. Eine beeindruckend fruchtbare Aktion: Die Bären vom Edersee gelten als die Stammväter und -mütter eines Großteils der inzwischen in Deutschland lebenden Waschbär-Population. Heutzutage stoßen immer wieder Tiere hinzu, die entweder aus Pelztierfarmen ausgebrochen oder ihren BesitzerInnen entlaufen sind.

„Eigentlich gehören Waschbären aber nicht hier her“, betont Jägermeister Nieß. Der Allesfresser aus Übersee hat in unseren Breiten keine natürlichen Feinde, kann sich deswegen ungestört vermehren und gefährdet die heimische Tierwelt. Denn die ist auf derartig gute Kletterer mit einer besonderen Vorliebe für Vogelgelege und Jungtiere keineswegs vorbereitet.