Gallige Grüße

■ Und noch ein Medienthriller: Michael Fischers Nabelschau „Skorpion!“

Selbstverständlich sind „Handlung und Personen dieses Romans erfunden“ und „Ähnlichkeiten mit realen Orten und lebenden oder verstorbenen Personen rein zufällig“. Stimmt aber gar nicht. Ist es denn ein Zufall, daß das Magazin seine Redaktionsräume beim Spiegel-Hochhaus um die Ecke hat? Daß all die Journalisten in Eppen-dorf, die tote Hauptperson in den ehemaligen Arbeiterreihenhäusern im Falkenried hat? Den Eindruck, es handele sich beim Skorpion! von Michael Fischer um einen Schlüsselroman, wird man einfach nicht los.

Und auch nicht den Eindruck, in Hamburg gebe es große Nachrichtenmagazine gleich im Dutzend. Da taucht das Magazin auf, hinlänglich bekannt durch Hellmuth Karaseks gleichnamige Enthüllungsgeschichte, da gibt es neben der Illustrierten Stern auch noch den Star und die Wochenzeitung Chronik. Ein Medienthriller ist der Roman um den Tod des ehemaligenMagazin-Redakteurs und Tennislehrers Eberhard Jarosch. Und dieses Genre hat momentan Konjunktur. Auch wenn man der Gerechtigkeit halber hinzufügen muß, daß Fischers mediale Nabelschau vor der von Karasek enstanden ist. Nur wollte sie am Anfang niemand herausbringen, während man sich jetzt doch noch eine schnelle Mark davon verspricht.

Klar, wenn Aussteiger auspacken, darf es denen, die weitermachen, mulmig werden. Michael Fischer war neun Jahre lang als Redakteur beim Spiegel tätig, bevor er als freier Journalist ins Elsaß zog. Von dort aus sendet er heute gallige Grüße an die Brandstwiete, wenn er im Skorpion! das Wirken der geschäftigen Mächtigen seinen Betrachtungen unterzieht.

Dabei ist Jarosch nicht einmal einer der bösen Buben. Als freier Autor für die kleine Stadtzeitschrift Szene wird er vom Magazin-Chef Jahn persönlich für das Feuilleton engagiert und schreibt in seinen Artikeln die Elite der Kulturschaffenden von Marcel Reich-Ranicki bis Wolf Biermann in Grund und Boden. Jahn spannt ihm dafür die Freundin aus, und der neidische Kollege Wolf Hartter spritzt ihn mit Heroin tot.

Die Informationsbranche ist also ein Haifischbecken, in dem gelogen und betrogen wird, in dem Verbrechen begangen werden im Kampf um die schnellste Nachrichtenübermittlung. Die Konkurrenz unter den Schreiberlingen ist so groß, daß Mobbing allein nicht ausreicht, um den Chefredakteur von der eigenen Brillanz zu überzeugen. Vor Mord wird da nicht zurückgeschreckt, um den talentierteren Büronachbarn beseite zu schaffen. Und das ist nun, was die Realität betrifft, wirklich „frei erfunden“. Im wahren Leben sind die Methoden der Branche nämlich effizienter.

Eberhard Spohd

Michael Fischer: „Skorpion!“, Pendo Verlag, Zürich, 1999, 204 Seiten, 29,80 Mark

Lesung: 20 Uhr, Kulturhaus Eppendorf, Martinistraße 40