701 Einzelfälle

■ Gersthofener Klodeckel-Baron muß als mutmaßlicher Millionenbetrüger vor Gericht

Augsburg (taz) – Es ist ein reichlich kurioser Fall von Anlagebetrug, der seit Dienstag vor dem Landgericht Augsburg verhandelt wird. Der adelige Unternehmer Max Freiherr von Lepel muß sich wegen Betrugs in zweistelliger Millionenhöhe an 2.500 Anlegern verantworten.

Der Baron aus Untergruppenbach in der Nähe von Heilbronn war Inhaber einer Firmengruppe mit dem schönen Namen „Clean“ in Gersthofen bei Augsburg. In Hochglanzbroschüren warb er laut Staatsanwaltschaft für Unternehmensbeteiligungen an der Firma für Umweltprodukte und Sanitärartikel, die unter anderem spezialisiert ist auf die Produktion von Toilettensitzen. Laut Anklagebehörde habe der Angeklagte ganz genau gewußt, daß bei den angebotenen Beteiligungen niemals Gewinne herausspringen würden.

Monatelang hat die Schwerpunktstaatanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Augsburg ermittelt, hat ungezählte Kunden des mutmaßlichen Betrügers vernommen. Aus Ermittlerkreisen hieß es, die Broschüren der Firmengruppe seien recht professionell gemacht gewesen. Die Anlagemodelle seien plausibel erklärt worden, wenngleich bei genauerem Hinsehen durchaus hätte Skepsis aufkommen müssen, meinte ein Ermittler. Vor allem stille Teilhaber seien gesucht und gefunden worden. Aus den neuartigen Klositzen und den entsprechenden Fabrikationsanlagen wurde nichts.

Das ganze Geschäft ging für die geprellten Anleger, die bis zu einer Million Mark an Einzelbeträgen hingeblättert haben sollen, voll in die Hose. Außer einem Toilettensitz-Protoyp wurde nichts aus den hochtrabenden Plänen. Mindestens 90 Millionen Mark sollen laut Anklage insgesamt kassiert worden sein. Aus prozeßökonomischen Gründen wurden aber nur 701 der insgesamt 2.500 Betrugsfälle mit einer Schadenshöhe von 16 Millionen Mark angeklagt. Doch das Verfahren wird sich nun trotzdem ganz gehörig in die Länge ziehen.

Das liegt zum einen daran, daß die Anwälte des Freiherrn bereits angekündigt haben, eine 800 Seiten umfassende Einlassung vorzutragen. Alleine dafür hat der Vorsitzende Richter zehn Prozeßtage vorgesehen. Hinzu kommt noch, daß mit den 701 Einzelfällen automatisch zu den anderen Zeugen noch 701 Betroffene ihre Aussagen machen werden. Leicht möglich, daß im Laufe des Verfahrens - sofern dies bis zum Ende durchgezogen werden sollte - insgesamt also mehr als 800 Zeugen aufmarschieren müssen.

Dem Steuerzahler wird dieses Verfahren immense Kosten verursachen. Denn zu den Ausgaben für das Erscheinen der Zeugen kommen noch die 600.000 Mark, die ein Gutachten gekostet hat, das klären sollte, wo die 90 Millionen denn nun eigentlich geblieben sind. Man habe die komplizierte Zuordnung, welche stille Beteiligung zu welchem Patent respektive Projekt gehört, genauestens prüfen müssen, heißt es dazu bei der Staatsanwaltschaft.

So mancher Ermittler schüttelt den Kopf über den immensen Aufwand. Aber nur wenn die jeweiligen Einzelfälle glaubhaft nachgewiesen werden können - und so etwas sei einfach nur durch renommierte Gutachter möglich - , sei eine schlüssige Beweisführung möglich und somit eine Verurteilung wahrscheinlich. Der Ex-Geschäftsführer der mutmaßlichen Betrüger-Firmengruppe hat im Gegensatz zum Angeklagten Lepel den Betrug bereits in einem anderen Verfahren gestanden. Er wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Und er wird auch als Zeuge im jetzt laufenden Prozeß aussagen.

Wo die Gelder sind, weiß freilich nach wie vor niemand. Die 90 Millionen Mark sind wie vom Erdboden verschwunden, und der Beschuldigte selbst macht keinerlei Angaben. Seine Verteidiger wiesen mit Nachdruck am ersten Verhandlungstag jede Schuld ihres Mandanten zurück. Er selbst habe Millionen in die Entwicklung der Sanitärprodukte gesteckt.

Klaus Wittmann