Die Union der alten Männer

In der Berliner CDU geraten Reform- und Erneuerungsbestrebungen ins Stocken. Gerade erst blockiert eine alte Garde die Nachwuchshoffnungen der Partei  ■ Von Barbara Junge

In der Hauptstadt wird konservative Politik weiterhin von alten Frontstadtmännern gemacht. Sieben Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10. Oktober bestimmt die Union in diesen Wochen ihre KandidatInnen. Doch statt Verjüngung und Erneuerung – wie es die Parteispitze vorgegeben hat – bestimmen die Disziplinen Pfründensichern und Nachwuchsabschießen das sportliche Geschehen in der Berliner CDU.

Beispielsweise am Dienstagabend. Gleich zwei Nachwuchshoffnungen wurden von den Altgedienten der Union ohne Gnade abserviert. Ein Staatssekretär und eine profilierte Bildungspolitikerin waren angetreten, sich für den Berliner Wahlkreis Wilmersdorf als DirektkandidatIn nominieren zu lassen: Peter Kurth und Monika Grütters, beide Ende dreißig und beide deutlich auf dem liberalen Parteiflügel der zerstrittenen Hauptstadtunion zu finden. Beide waren ohnehin nur mit erheblichen Bedenken gegeneinander angetreten, denn das Parlament wird verkleinert, die Mandate um ein Drittel reduziert und auf den anderen beiden Wilmersdorfer Mandaten sitzen – wie festgewachsen – zwei altgediente Haudegen.

Doch am Dienstag abend zauberten die beiden Alten, Eckart Wruck und Jürgen Adler – beide stehen nicht im Verdacht, liberal oder reformerisch orientiert zu sein – eine ganz neue Kandidatin aus dem Hut: die Bezirksabgeordnete Anke Soltkahn, ihrerseits auf dem rechten Parteiflügel zu finden und mit über fünfzig Jahren bestimmt keine jugendliche Erneuerung. Mit 31 zu 30 Stimmen wurde die Überraschungskandidatin von den Wruckschen und Adlerschen Wahlmännern und -frauen durchgestimmt. Um die Düpierung zu vollenden, präsentierten die Haudegen dann in der Wahl um den Nachrückerplatz noch einen – wie es aus Parteikreisen heißt – „Deutschnationalen“. Die politische Ansage läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Nicht der einzige Fall. Parteiinternen Pöstchenschiebereien, das gilt jetzt schon fast als abgemacht, soll in einem anderen Berliner Bezirk die junge Parlamentsabgeordnete Cerstin Richter-Kotowski zum Opfer fallen. Sie gehört zu den jungen Hoffnungen, auf die Berlins heimlicher Unionschef, der Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky gern verweist. Generationenwechsel ist spätestens seit dem Wahldebakel bei der Bundestagswahl vom 27. September die Devise auch bei der Berliner CDU. Entsprechend schockiert zeigt sich die Führung über die Wilmersdorfer Machenschaften. Er sei über die Wahl an sich, wie über die Art des Vorgehens „tief enttäuscht“, sagte Fraktionschef Landowsky gestern der taz. Besonders erzürnt sei er darüber, „wie das Politbüro die jungen, begabten Nachwuchskräfte weggebissen hat“.

Trotz des Rückschlags für die Erneuerungsbemühungen blieben aber gerade diese beiden „Führungsreserve der Berliner CDU“. Die Partei brauche weltoffene junge Leute, nicht Leute, „die in jeder Ecke ein Beißholz zwischen den Zähnen haben“.

Monika Grütters interpretierte die Wahl als „eine Abstrafung des Reformflügels“ und eine Absage an den notwendigen Generationenwechsel. „Mit Sicherheit kommen die älteren Herren mit einer jüngeren Frau wie mir nicht zurecht“, fügte Grütters an.