Allah ist groß, er spricht auch zu den Ungläubigen

■ Wie Ussama Bin Laden an der Universität von Ohio eine digitale Heimat fand

Wenn es um die moderne Technik geht, sind Islamisten keine Kostverächter. Sie surfen „In the Name of Allah, Most Gracious, Most Merciful“. So steht es in grüner Schrift über der schlichten Homepage von „Msanews“ (www.msanews.mynet.net), einer Adresse für „Journalisten, Studenten und Forschungszentren“.

Der in der Ohio State University in den USA beheimatete Server bietet einen schnellen Zugriff auf die gesamte islamische und islamistische Welt. Englischkenntnisse genügen. Alle Texte werden eigens übersetzt. Unter „Scholar“ findet sich eine alphabetische Liste all derjenigen, die über die muslimische Welt schreiben, ob Islamisten oder nicht. Wer einen Namen anklickt, erhält neben Foto und Kurzlebenslauf eine umfangreiche Auswahl der Texte und Artikel des jeweiligen Autors. Neben allseits anerkannten Theoretikern der Bewegung, wie dem im Londoner Exil lebenden Tunesier Rachid Ganouchi, sind hier auch Angehörige des eher aktivistischen Flügels registriert, zum Beispiel Ussama Bin Laden, der spätestens seit den Bombenanschlägen auf zwei US- Botschaften zu internationaler Berühmtheit gelangt ist. Neben seinen gesammelten Werken – meist Aufrufen zum Heiligen Krieg gegen Israel oder die USA – enthält die Seite Links zum CNN-Nachrichtenarchiv und zur Homepage des FBI.

Die Autorenliste steht aber auch den ungläubigen Beobachtern der muslimischen Welt offen. Artikel des Nahostspezialisten der Londoner Tageszeitung The Independent, Robert Fisk, finden sich hier ebenso, wie Untersuchungen amerikanischer Universitätsprofessoren, selbst dann, wenn ihnen nachgesagt wird, der jüdischen Lobby anzugehören.

Ein umfangreiches Archiv enthält übersetzte Berichte von Menschenrechtsorganisationen, Hinweise auf Veröffentlichungen und Tagungen. Eine gut funktionierende Suchmaschine ermöglicht die schnelle Recherche, und wer will, kann sich kostenlos per E-Mail alles auf die Festplatte liefern lassen, was die Msanews an Neuigkeiten veröffentlicht.

Wer direkten Kontakt mit Gruppen, Parteien oder Studienzentren aufnehmen will, dem sei ein Blick in die „World of Islamic Directory“ empfohlen. Hier finden sich auch Links zu den Organisationen, die heute noch nur mit Post, Fax und Telefon erreichbar sind. Einigen von ihnen stellt Msanews unter „Albab“ (das Tor) eine Webseite zur Verfügung. Die Herausgebergruppe veröffentlicht so zum Beispiel das Programm der Islamic Party of Britain, die wichtigsten Dokumente der palästinensischen Hamas oder den Jahresbericht des palästinensischen Komitees für Bürgerrechte.

Die benutzerfreundliche Gestaltung des Msanews-Sites ist, das klingt paradox, dem Mißtrauen an der Uni von Ohio zu verdanken. Im August 1995 legte die Hochschulverwaltung die Seite lahm. Drei Monate später ging der islamistische Service wieder online. Die Kontrollbehörden hatten nichts gefunden, was ihren Verdacht der Unterstützung von Gewalttätern bestätigte. Die Webmaster mußten sich nur bereit erklären, die urheberrechtlichen Fragen der Texte immer genau zu klären und den Server so einzurichten, daß alle Informationen schnell zugänglich sind. Reiner Wandler

Wandler@compuserve.com