Eine Ikone der sechziger Jahre

■ Dusty Springfield ("I Close My Eyes And Count To Ten"), Teenageridol des Beatzeitalters und Freundin der Londoner Homoszene, ist Dienstag im Alter von 59 Jahren an Brustkrebs gestorben

Voriges Jahr noch hat sie alle Rechte an ihren Songs verkauft. Etwa 18,7 Millionen Mark bekam sie dafür, daß nicht mehr ihr gehört, womit sie im Laufe von fast vierzig Jahren berühmt wurde: Songs wie „You Don't Have To Say You Love Me“ oder „Son Of A Preacher Man“. Doch Dusty Springfield war krank und sehr geldklamm.

Sie litt an Brustkrebs, wollte nicht resignieren und alle Therapiechancen nutzen. Dienstag abend hat die britische Popsängerin aufgehört zu leben – die Geschwüre in ihrem Körper waren zu mächtig. Dusty Springfield, am 16. April 1939 bei London als Mary Isobel Catherine O'Brian geboren, war ein typischer Nachkriegsteenager. Ihr großes Vorbild: Petula Clark, Kinderstar der vierziger Jahre und spätere Kollegin

So hoch hinaus wie Clark wollte die junge O'Brian auch. Zunächst arbeitete sie als Verkäuferin in Hausrats- und Schallplattenläden; 1959 mußte ihr Bruder Tom sie nicht lange überreden, Leadsängerin der Folkgruppe „The Springfields“ zu werden. Doch drei Jahre später, nach einigem Erfolg, hatte die Sängerin die Nase voll und träumte davon, allein in der jungen Beatszene Londons mitzumischen.

Schon ihr erster Song „I Only Want To Be With You“ wurde ein anständiger Hitparadenerfolg. Weitere Hits folgten, etwa „Wishin' And Hopin'“, „I Close My Eyes And Count To Ten“ oder „The Look Of Love“. 1966 war Dusty Springfield nicht nur Teil der Beatszene, der Hipster und Hippesten, sie war die Königin schlechthin: Idol der Mädchen und angebetetes Objekt vor allem der prolligen jungen Männern.

Die britische Popautorin Charlotte Greig, Expertin für weibliche Erfolgsstrategien im Musikgeschäft, sagte über sie: Als alle Mädchen ihre Haare hoch steckten, steckte sie Dusty höher. Ihr Talent, schrieb ein Musikjournalist der Times, sei verschwenderisch angelegt, ihre Disziplin bedauerlicherweise kaum vorhanden.

1967 verlor sie ihren Status als liebste Sängerin der Insel. Thronfolgerin wurde Julie Driscoll. Das Publikum zeigte sich ermüdet von Springfields Art, selbst aus banalen Texten geigenumspülte Popoperetten zu kreieren. 1968 erreichte Dusty Springfield schließlich ihren beruflichen Zenit. In Memphis ging sie ins Studio, um mit Produzenten, die gewöhnlich nur mit schwarzen Sängerinnen wie Aretha Franklin oder Dionne Warwick zusammenarbeiteten, ein Album aufzunehmen. Die LP „Dusty In Memphis“ geriet derart soulig, daß ihr Ms. Franklin eine schwarze Stimme und afroamerikanisches Feeling attestierten. Was für ein Lob!

Von da an – leider – ging's für sie bergab. Im Popgeschäft gaben nun Sängerinnen den Ton an, die ein Rock- oder Hippieimage hatten. Dem wollte sich Dusty Springfield nicht unterwerfen. Sie wurde out, weil sie selbst bei den ersten Feministinnen zu weiblich und zu wenig lilastrümpfig wirkte. In den achtziger Jahren baten die beiden Jungs von den „Pet Shop Boys“ Ms. Springfield, mit ihr arbeiten zu dürfen. Heraus kamen einige schöne Lieder wie „Reputation“ oder „What Have They Done To Deserve This“. Springfield gehörte fortan zum Ikonenpark von jungen Schwulen. Doch nicht nur die Londoner Homoszene trägt seit Dienstag abend schwarze Trauerschleifen. Jan Feddersen