Bahnchef Ludewig ohne Glück

Erstmals seit Umwandlung in eine AG sank der Bahn-Umsatz, auch der Gewinn wird knapper. Schuld sind Mißmanagement und vor allem das ICE-Unglück  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Bahnchef Johannes Ludewig wollte gestern endlich mal wieder positive Schlagzeilen produzieren. Trotz einer „Reihe außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse“ sei es der Bahn gelungen „klar schwarze Zahlen zu schreiben“, sagte er gestern auf der Jahrespressekonferenz. Doch tatsächlich fährt die Deutsche Bahn mit angezogener Bremse.

Bereits zum zweiten Mal mußte die Bahn gestern ein sinkendes Betriebsergebnis melden: 334 Millionen Mark Gewinn nannte Ludewig gestern für 1998. Im Vorjahr waren es noch 544 Millionen Mark gewesen. Und erstmals seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ging auch der Umsatz zurück. Gerade einmal 30,2 Milliarden Mark setze der DB Konzern 1998 um – ein Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Vor allem das ICE-Unglück von Eschede warf die DB zurück. Hinzu kam die offenbar zu hastige Einführung von Neigetechnikzügen aus dem Hause Adtranz, die vom Eisenbahnbundesamt kurzfristig stillgelegt werden mußten – und dann nur noch mit ausgeschaltetem Neigemechanismus verkehren durften. Dies macht sie deutlich langsamer und ist eine der Ursachen, warum die DB seit dem Sommer mit massiven Verspätungen zu kämpfen hat. Weitere Pannen folgten – liegengebliebene Züge, nicht funktionierende Stellwerke. Und auch Erpresser machten der Bahn zu schaffen.

So ging die Zahl der gefahrenen Zugkilometer durch die Kunden allein im Fernverkehr um 1,7 Prozent auf 30,5 Milliarden Kilometer zurück. Der Umsatz im Fernverkehr sank um 0,9 Prozent. Für Ludewig lag das fast nur am Zugunfall in Eschede. Doch auch im Nahverkehr mußte er auf Nachfrage ein Minus von 1,3 Prozent an gefahrenen Kilometern einräumen. Das verantworteten vorwiegend die Bundesländer, die die Leistung bei der Bahn bestellten, so Ludewigs Lesart. Zunächst schien es so, als ob wenigstens der Güterverkehr die Talfahrt im Personenverkehr ein wenig ausgleichen könnte. Das erste Halbjahr lief ganz gut, obwohl die Bahn massiv mit dem Preisverfall im Transportwesen zu kämpfen hatte. Doch seit September ging es auch hier kräftig abwärts: Vor allem den Einbruch bei den Stahltransporten macht die DB AG dafür verantwortlich, daß ihr Marktanteil weiter gegenüber dem Straßenverkehr schrumpfte. Im Güterverkehr nahm die Bahn 1998 rund 0,8 Prozent weniger ein als im Vorjahr, obwohl sie immerhin 0,9 Prozent mehr transportiert hatte. So sähe die Bahnbilanz sehr trübe aus, gäbe es da nicht noch genügend Immobilien, deren Verkauf jährlich etwa 700 Millionen Mark in die Kasse spült.

Daß die Zahlen nicht erfreulich werden würden, war seit längerem absehbar. Längst nicht alle Gründe sind indes hausgemacht. Zum einen zahlt die Bahn so hohe Umsatzsteuern wie keine ihrer Konkurrentinnen im europäischen Ausland. Gegenüber Schiff und Flugzeug ist der Schienenverkehr im Nachteil, weil er etwa 400 Millionen Mark Mineralölsteuer aufbringen muß, während die beiden Konkurrenten davon befreit sind. Hinzu kommen die Trassenpreise, die für jeden gefahrenen Zugkilometer bezahlt werden müssen – im Gegensatz zum Lkw-Verkehr muß die Bahn nämlich ihr Netz nämlich fast vollständig selbst finanzieren. Über sechs Milliarden Mark kostet sie das im Jahr.