Für den Ulknudelanzug ist Schröder zu klein

■ Roger Willemsen war 200 Tage lang mit Beinahe-Kanzler und Kanzler unterwegs (22.20 Uhr Arte)

Bundeskanzler Gerhard Schröder ist oft in Unterhaltungssendungen zu sehen. Gestern „Wetten daß“, morgen (9.3.) „Harald Schmidt, übermorgen (3.4.) bei Jörg Wontorra. Später vielleicht noch die „Simpsons“ oder eine verrückte Familie&Doris. Die unterhaltende Präsenz des Repräsentanten sehen Teile der in ihrem Kern schlußendlich doch fernsehfeindlichen Grünen, aber auch wertkonservative Sonntagsblätter, wie Bild am Sonntag nicht so gern. Das schlimme Wort „Ulknudel“ steht drohend im Raum. Vielleicht ist es auch ein zivilisatorischer Fortschritt, von einer „Ulknudel“ regiert zu werden. Andererseits fehlt Gerhard Schröder doch vieles, um rechtens den Titel „Ulknudel“ führen zu können. Für den Ulknudelanzug ist der Kanzler noch eine Nummer zu klein.

Roger Willemsen hat Gerhard Schröder 100 Tage vor bis 100 Tage nach der Wahl begleitet und das alles dann in 80 Minuten zusammengefaßt. Vom Kandidaten zum Kanzler, der Weg zum Erfolg; eine Geschichte in Bildern, wie der Held gesehen werden möchte, denn „den entscheidenden Wiedererkennungswert hat nur die Glotze“. In der Glotze ist Schröder ganz gut. Der trägt sich über 80 Minuten, auch wenn man danach nicht mehr weiß, was daran so interessant war; will sagen, in 80 Minuten erfährt man auch nicht mehr als in der „Tagesschau“. Willemsens so schicke wie überflüssige Zwischentitel sprechen von dem, was er möglicherweise gewollt hatte; der Film selber ist chronologisch. Die Kamera wirkt oft ziellos. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn Willemsen sparsamer geschnitten oder auch von der Parteikarriere seines Helden gesprochen hätte. Jedenfalls sieht man: Schröder bei einer VW-Belegschaftsversammlung, Schröder beim BDI, Schröder neben Kohl, der frischgebackene Bundeskanzler mit Freund Blair oder beim deutsch- französischen Gipfel etc. pp. Gern lacht er zusammen mit Kollegen über seine Vielbeschäftigtkeit.

In der schönsten Szene des Film, sieht man den Kanzler auf dem Niedersachsentag, wie er auf einem Plastikstuhl ständig ostentativ klatscht, Beifälliges murmelt und etwas überorchestriert Begeisterung über eine ländliche Trachtengruppe demonstriert. Doris neben ihm reißt den Mund ganz erstaunlich weit auf, weil sie so fröhlich ist. Die Sitznachbarn sind irgendwie nicht so gut drauf. Da wirkt der grimassierende Kanzler plötzlich einsam.

Schröder spielt die Rolle in dem Film „Schröder – der Kanzler“ noch etwas zu laut. Nur in einer Szene – als er seine Rede, die er vor den Sternsingern hält, unterbricht – um mit einem Fußball recht gekonnt zu jonglieren – wirkt er als wäre er ganz bei sich. Der Bundeskanzler sollte Fußballbundestrainer werden. Detlef Kuhlbrodt