Selfmade zur Pralinen-Expertin aufsteigen mit eigener „Confiserie“

■ Brigitte Klußmann gehört einer noch unerforschten Spezies an: Sie ist eine von Bremens Existenz-gründerinnen und Chefin einer eigenen „Confiserie“: Vom tollkühnen Sprung in die Selbständigkeit

Ganz super hatte sie sich ihr „Entspannungscenter für Frauen“ vorgestellt. Mit den geplanten Saunen und dem einen Partnertag pro Woche. Die entdeckte Marktlücke interessierte auch die Banken. Aber dann scheiterte doch plötzlich alles – an „blöden behördlichen Auflagen“. Fast 300 Quadratmeter Ruhezone. Geforderter Parkraum vorm Haus: „Da habe ich schlicht kein rentables Objekt gefunden“, sagt Brigitte Klußmann. Jetzt liegen die Pläne in den Schubladen. Aber die 43jährige sitzt trotzdem als eigene Chefin in ihrem Büro. Vom Chefsessel aus managt sie die neue „Confiserie Brigitte Klußmann“ in Schwachhausen.

Das Arbeitszimmer fällt zwar nicht so groß aus. Aber für den großen schwarzen Bürosessel ist im schlauchigen hinteren Ladenteil immer noch Platz. Von dort aus bedient sie Faxgerät und Telefon – zwischen Fenster, Trennwand zum Laden und dem Regal mit Ostereiern und Kaffeedosen drauf. Aber das alles schmälert nicht die Freude über den geschafften Sprung in die Selbständigkeit: „Das Geschäft läuft gut“, sagt die 43jährige, die gerade ihr einjähriges Ladenjubiläum feierte – und die sich kurzum von der Fast-Wellness-Spezialistin „selfmade“ zur Trüffel- und Pralinen-Expertin fortgebildet hatte.

Flexibel und risikobereit sein ist Brigitte Klußmanns Lebensmotto. Damit wagen derzeit immer mehr Frauen in Bremen den Weg in die Selbständigkeit. „Bei uns steigt ständig die Nachfrage“, berichtet Franziska Mayer von der „Koordinierungs- und Beratungsstelle Frau und Beruf“ (zib), die Existenzgründerinnen berät (siehe Kasten). Mittlerweile ist jeder dritte Selbständige eine Frau. Der Wunsch nach eigenem Chefsein aber wächst laut „zib“ aus ziemlich unterschiedlichen Beweggründen.

Brigitte Klußmann stand mit 40 Jahren auf der Straße. „Da war mir klar: Da fang ich in den meisten Firmen nichts mehr an“, sagt die ehemalige Personalleiterin in einer Zeitarbeitsfirma. Fünf Jahre hatte sie zudem selber in Firmen als „Zeitarbeiterin“ gearbeitet. „Das gefiel mir, da kam immer etwas neues“, sagt die Frau, die eigentlich mal als junges Mädchen Einzelhandelskauffrau gelernt hatte – kam dann über Umwege in einem technischen Büro für Anlagenbau unter und landete schließlich im Sekretariat einer Schiffahrtsagentur, wo sie sich später in der Abendschule zur Personalsachbearbeiterin weiterschulte.

Aber irgendwie lief zwischendurch immer mal was schief mit Vorgesetzten – damals mit knapp 18 Jahren mit dem Chef im technischen Büro: „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“. Da war sie „konsequent und kündigte“. Problematisch war's auch vor drei Jahren – als der „junge 30jährige plötzlich mein neuer Vorgesetzter“ bei der Zeitarbeitsfirma wurde. „Ich arbeitete ihn ein“, erinnert sie sich, „aber das war alles nicht so einfach. Denn die Kollegen sprachen ja immer noch mich an.“

Fast Hörsturz, dann Kuraufenthalt „nach dem ganzen Konkurrenzkampf“ und neue Kraft: Nach neun Jahren Firmenzugehörigkeit entschied sich Brigitte Klußmann zum Neuanfang. Denn Ideen hatte sie ja immer viel gehabt in der ganzen Zeit – und außerdem war sie ja durch und durch „Karrierefrau“. „Kinder wollte ich nie haben“. Schon früh mußte sie „selbständig sein“, erklärt die 43jährige, „meine Eltern starben beide, als ich erst 16 war.“ Warum also nicht als gelernte Kauffrau ein „Entspannungscenter für Frauen“ aufmachen – „da gibt es jede Menge Bedarf“ – und eine Ausbildung zur Saunameisterin nachmachen?

Unterstützung beim ganzen Projekt fand sie bei der „zib“. Daß es nicht klappte, hat die 43jährige längst weggesteckt – auch wenn sie bei diesem „Kraftakt“ viel Geld verlor: „Wenn ich etwas entscheide, bin ich nun mal konsequent. Auch wenn es nachher Mist war.“ Ganz vergessen ist die erdachte Saunalandschaft aber nicht: „Mal abwarten, was die Zukunft bringt“.

In ihrer „Confiserie“ will sie nicht bis zu ihrem „Lebensabend“ bleiben. „Irgendetwas mußte ich ja damals machen“, erklärt sie. Nach dem gescheiterten Saunaprojekt hatte man ihr zwar einen 30-Stunden-Job im Büro angeboten, „der super klang“. Aber sie hat abgelehnt und bei dem Laden in Schwachhausen zugesagt: „Ich kannte die Frau, die die Confiserie vorher betrieben hatte. Sie wußte über meine Situation Bescheid und sprach mich an.“

Duftende Süßigkeiten sind seitdem Brigitte Klußmanns neues Metier. „Das paßt schon zu mir, Süßigkeiten mag ich schon von klein an“, sagt sie. Von Zeitschriften über Toto-Lotto bis zu hochwertigen Schleckereien, Konfitüren und Geschenkartikeln ist bei ihr (fast) alles zu haben. Daß „alles der Bank gehört“, schreckt sie nur manchmal: „Ich habe bis jetzt immer gut kalkuliert.“ Außerdem „weiß ich, daß ich mir selber vertrauen kann“. Und daß die Ideen auch weiter kommen – wie die „Präsente auf Bestellung“: „Firmenchefs könnten anrufen und ich stelle dann was Nettes für die Mitarbeiter zusammen,“ erläutert Brigitte Klußmann ihre Idee, um auf dem Confiserie-Markt mitzuhalten. Katja Ubben