„Das war mißverständlich“

■ Inge Schmitz-Feuerhake, Atom-Physikerin an der Universität Bremen, räumt Unklarheiten in ihrem Plutonium-Gutachten ein

Als die „Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch“ letzten November an die Öffentlichkeit ging, war das nicht nur der taz die Titelseite wert: Die Bremer Physik-Professorin Inge Schmitz-Feuerhake hatte in einem Gutachten für die BI die These aufgestellt, daß die Region um das Atomkraftwerk Krümmel „eindeutig“ mit Reaktorplutonium kontaminiert sei. Sofort hagelte es Kritik von vielen Seiten: wissenschaftlich sei die These nicht haltbar. Im Dezember meldete sich die Professorin krank. Seit zwei Wochen ist sie wieder im Dienst. Die taz sprach mit ihr über die Gutachten-Affäre.

taz: Halten Sie immer noch an Ihrer zentralen These fest, daß das gemessene Plutonium in der Elbmarsch zwangsläufig aus dem Atomkraftwerk Krümmel stammen muß?

Inge Schmitz-Feuerhake, Physikerin der Universität Bremen: Ich halte an der These fest, daß dort vermehrt Americium auftritt und damit auch Plutonium-Isotope. Daß das alles aus dem Reaktor kommt, das kann nicht sein, da es noch andere Quellen für Plutonium gibt.

In Ihrem Gutachten gingen sie aber davon aus, daß alles Plutonium aus dem AKW stammt ...

Das war mißverständlich. Es war ein vorläufiges Gutachten, das nicht zur Veröffentlichung gedacht war. Es ist daher unvollständig und teilweise auch unverständlich. Ich hätte sagen müssen, daß Reaktor-Plutonium in der Umgebung von Krümmel auftritt, das nicht aus Tschernobyl oder früheren Waffentests stammen kann. Dafür sprechen eine Menge von Fakten, die ich unvollständig in diesem Bericht dargestellt habe.

Ein anderer Gutachterbeitrag von Ihnen wurde unter großer Presseaufmerksamkeit vom schleswig-holsteinischen Energieminister abgelehnt. Was halten Sie von dem Vorgang?

Dem Ministerium haben meine Ergebnisse nicht gefallen, die schon seit Mitte 1998 vorlagen. Ich glaube, daß ein Vorwand gesucht wurde, um diese Ergebnisse nicht bearbeiten zu müssen.

Was hat die Debatte um Ihr umstrittenes Gutachten für Sie persönlich bedeutet?

Ich bin solche Auseinandersetzungen schon gewohnt: Früher bin ich manchmal bewußt an die Öffentlichkeit gegangen, weil meine Strahlenschutz-Kritik in der herrschenden Fachwelt nicht genügend Resonanz findet. Das war in diesem Fall nicht so, die Bürgerinitiative ist an die Öffentlichkeit gegangen.

Inzwischen haben sich die Unileitung und die Kollegen Ihres Fachbereichs öffentlich von Ihren Thesen distanziert ...

Sie haben sich von dem Plutonium-Bericht distanziert. Das ist eigentlich kein akademischer Stil, weil ich dazu überhaupt nicht angehört wurde. Selbst wenn man berechtigte Kritik an meinem Bericht hat, dann fehlt eine ganze Menge Sachkenntnis, um beurteilen zu können, was die Ergebnisse bedeuten. Im Studiengang Physik gilt meine Thematik als unwissenschaftlich, aber die Zentrale Forschungskommission der Universität hat in der Vergangenheit meine Projekte zu Krümmel gefördert.

Es sollte noch ein Gespräch zwischen Ihnen und der Unileitung geben. Fand das schon statt?

Ich bin noch nicht eingeladen worden. Ich glaube, die Uni hält das Thema jetzt für erledigt.

Fühlen Sie sich von der Uni durch die öffentlichen Stellungnahmen diskreditiert?

Selbstverständlich.

Haben Sie jetzt noch Chancen, an interessante Gutachteraufträge heranzukommen?

Es geht mir nicht um Gutachtenaufträge, sondern um den Strahlenschutz der Bevölkerung. Ich habe weiterhin die Möglichkeit, wissenschaftlich meine Ansichten zum AKW Krümmel zu veröffentlichen, und ich will ja auch weitermachen. Bürgerinitiativen, für die ich gearbeitet habe, müssen sich möglicherweise überlegen, ob sie sich jetzt weniger anrüchige Experten suchen.

Fragen: Christoph Dowe