Agenda-Konsens als Sackgasse

■ Der Runde Agenda-Tisch hat einen Aktionsplan beschlossen / Stadtentwicklungs-Initiativen protestieren, nur Bremens Bürgermeister Henning Scherf ist vollauf zufrieden

„Letztlich“, fanden die Vertreter der 19 Umweltverbände im Bremer Umwelt Forum, „letztlich ist das Aktionsprogramm ein Minimalkonsens“. Am Mittwoch hatte der Runde Tisch der Agenda 21 im Rathaus auf 24 eng bedruckten Seiten ein Aktionsprogramm verabschiedet, doch gestern schon präsentierte das Bremer Umwelt Forum in einem Memorandum gleich eine mehrseitige Liste von „Prüfsteinen“, die dem vor Allgemeinplätzen strotzenden Aktionsplan beigefügt werden sollen. Ganz wunderbar fand denn wohl auch nur Strahlemann Henning Scherf die Arbeit des Runden Tisches für ein umweltfreundlicheres Bremen. Die Agenda 21 als Zusammenschluß von 27 Verbänden aus allen Bereichen des Bremer Lebens scheint mit der Erklärung ihres ersten umweltpolitischen Aktionsprogramms zugleich auf einem Tiefpunkt angelangt.

Während die Wirtschaftsverbände – insbesondere die Handelskammer – das auf Konsens angelegte „Aktionsprogramm für Bremen“ inzwischen mit Vetos torpediert, zerbröselt die Beteiligung der Umweltverbände. Still verabschiedete sich jetzt die „Aktion Nordseekonferenz“ vom Runden Tisch der Agenda 21 und ihrem ersten Repräsentanten Bürgermeister Scherf – auf Nachfrage begründete Peter Willers von der Aktion den Austritt: „Das Ganze ist nicht mehr als Beschäftigungstherapie für engagierte Leute.“ In die Politik, wo jetzt der Agenda-Aktionsplan abgesegnet werden soll, sei der Runde Rathaus-Tisch zumindest nie eingesickert, so Willers: „Da saßen aus der Politik die Hinterbänkler, denen man was zu tun geben mußte.“ Und was solle die Bürgerschaft mit diesem Programm auch anfangen, fragt der Vorsitzende der „Aktion Nordseekonferenz“ – „wenn bei allen entscheidenden Fragen das Veto der Handelskammer mit drin steht.“ Ähnlich argumentierte jetzt der Vertreter der Bremer Landespressekonferenz und verkündete, daß er aus ähnlichen Gründen den Agenda-Prozeß künftig nur noch kritisch von außen begleite.

Richtig sauer aber sind vor allem die acht Bremer Bürgerinitiativen, die sich seit drei Monaten im „Aktionsbündnis gegen Flächenfraß“ zusammengeschlossen haben. „Die Flächenpolitik ist aus dem Aktionsprogramm ganz rausgefallen“, stöhnt Jan Saffe von der BI Hollerland. Die Vorsitzende der Bürgerinitiative Arberger/Mahndorfer Marsch, Gisela Lohsse-Trommsdorf, gibt auch den Verbänden im Bremer Umwelt Forum Mitschuld: „Ich verstehe nicht, warum die Umweltverbände da nicht geschlossen ausgetreten sind.“

„Die Verbände sind korrumpiert“, weiß trocken Peter Willers, „nicht nur durch Geld und Pöstchen, sondern vor allem dadurch, daß man ihnen erzählt, wie wichtig sie sind.“ Angela Wilhelms, von der AG Stadt-Land Ökologie und Peter Müller, BUND-Verkehrsexperte, wehrten sich gestern gegen die Vorwürfe. „Unsere essentials sind alle noch mit in das Aktionsprogramm aufgenommen worden“, so Müller: Beispielsweise stehe die Funktionsfähigkeit des Verkehrswegs Weser nun nicht mehr „uneingeschränkt“ auf Kosten des Naturschutzes im Programm – die Handelskammer kündigte daraufhin auch hier den Konsens auf.

Die Agenda 21 sei nun einmal der „leidvolle Weg“ eines Konsenses zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen, findet Müller. Kritik habe man ja selber mehr als genug. Ein Beispiel steht jetzt in dem Memorandum: Einmal sei mit der Landesschülervertreterin die Jugend am Runden Tisch aufgetaucht und habe berichtet, daß ihre Schule den Aufbau von Dosenautomaten verhindert habe. Der Runde Tisch fand das nicht unterstützenswert – „dies war das erste und letzte Mal, daß die Jugend am Runden Tisch vertreten war.“ Und trotzdem: „Wir werden immer wieder pieksen“, damit sich der Runde Tisch auch mit dem Thema der Bremer Flächenpolitik befaßt, so Müller. Endgültig Schluß mit dem Runden Tisch sei erst, wenn das Hollerland durchschneist oder der Hafenschlamm im Wattenmeer verklappt wird. „Von der Arberger Marsch haben sie das vor dem Verkauf genauso gesagt“, erinnert sich Jan Saffe. ritz