Der Polizeichef prügelte eigenhändig

■ Neues Geständnis in der Affäre Anwar stärkt Malaysias Opposition

Bangkok (taz) – Die Affäre um Ex-Vizepremier Anwar Ibrahim wird für die Regierung Malaysias immer peinlicher. Nachdem der frühere Polizeichef des Landes, Rahim Noor, vor einigen Tagen zugegeben hatte, daß er Anwar nach seiner Verhaftung im September 1998 eigenhändig verprügelt hat, forderten Oppositionspolitiker gestern den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Mohtar Abdullah. Sie werfen ihm vor, monatelang nichts gegen den inzwischen zurückgetretenen Polizeichef unternommen zu haben.

Anwar war im vergangenen Herbst in Ungnade gefallen, wurde verhaftet, verprügelt, wegen Amtsmißbrauchs und sexueller Vergehen vor Gericht gestellt und ist derzeit noch inhaftiert.

Was in jener Nacht in der Polizeizentrale von Kuala Lumpur geschah, beschrieben in dieser Woche zwei Polizeioffiziere vor einer unabhängigen Untersuchungskommission: Der Ex-Vizepremier, dem auf Anweisung des Polizeichefs die Augen verbunden und Handschellen angelegt worden waren, saß allein in einer Zelle, als Rahim Noor hineinstürmte.

Die Zeugen hörten, wie Anwar flehte: „Bitte nicht schlagen!“ – vergebens. Der Polizeichef habe derart geprügelt, daß zwei Beamte ihn mit aller Kraft wegzerren mußten. Zurück blieb ein fast ohnmächtiger Anwar, der, wie ein medizinischer Gutachter erklärte, „Glück hat, daß er noch lebt“. Vier Tage lang verweigerten ihm die Wächter ärztliche Hilfe. Anwars Anwalt fordert, den Polizeichef wegen „versuchten Mordes“ anzuklagen. Niemand will Noors Behauptung glauben, er sei vom früheren Vizepremier provoziert worden und habe „nur für den Bruchteil von Sekunden die Beherrschung verloren“, weil der gefesselte Politiker ihn als „Vater aller Hunde“ beschimpft habe – eine große Beleidigung unter Muslimen.

Auch das Ansehen von Premier Mahathir ist mittlerweile auf einen Tiefpunkt gesunken. Er war als damaliger Innenminister für den Vorfall in der Polizeizentrale verantwortlich. Mahathir, dessen UMNO-Partei seit der Unabhängigkeit an der Macht ist, muß nun erstmals um die Zweidrittelmehrheit seiner Koalition im Parlament fürchten. Denn die bislang stark zersplitterte Opposition hat neuen Zulauf erhalten. Anwars Ehefrau Wan Azizah Ismail kündigte bereits an, sie wolle bei den nächsten Wahlen in Mahathirs Wahlkreis antreten. Als die bis zur Verhaftung ihres Mannes nie politisch aktive Frau dort kürzlich zum ersten Mal eine öffentliche Rede hielt, strömten rund zehntausend Anhänger herbei. Jutta Lietsch