Jelzin pokert um die Macht

■ Rußlands Präsident entläßt GUS-Sekretär. Gerüchte um baldige Regierungsumbildung

Moskau (taz) – Boris Jelzin hat wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Er verfügte gestern vom Krankenbett aus die Entlassung Boris Beresowskis, des Exekutivsekretärs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Jelzin dürfte das nicht leichtgefallen sein. Immerhin genoß der windige Großmogul das Vertrauen der Familie Jelzin, deren Finanzverwaltung er überwachte.

Innenpolitisch hatte das Amt des GUS-Sekretärs keine Bedeutung. Der Rausschmiß deutet denn auch auf einen anderen Konflikt hin. Die Medien des Großmoguls haben in den letzten Wochen eine breite Kampagne gegen die Regierung von Premier Jewgeni Primakow lanciert. Einzelnen prominenten Ministern unterstellte Beresowskis Hausblatt Nesawissimaja Gaseta, sie seien in Korruptionsskandale verstrickt. Zuvor hatte der Premier einige Unternehmen Beresowskis auf ihre finanzielle Solidität hin überprüfen lassen.

Offenkundig hat der Ministerpräsident Boris Jelzin um Beistand gebeten, um Beresowski einen Platzverweis zu erteilen. Indes könnte sich die präsidiale Solidaritätsbekundung demnächst gegen Primakow selbst wenden. Jelzin beobachtet mißmutig dessen Autoritätsgewinn. Bleibt Primakow Regierungschef, dürfte es Jelzin schwer fallen, das Zepter wieder in die Hand zu nehmen. Ihm behagen auch nicht die Ambitionen des Premiers auf das Präsidentenamt im kommenden Jahr. Erst letzte Woche rief er den Regierungschef zu sich. Gerüchte behaupten, er hätte ihm das Ultimatum gestellt, bis Dienstag nächster Woche die Kommunisten aus dem Kabinett zu entlassen. Käme Primakow dem nach, verlöre er die Unterstützung der kommunistischen Mehrheit in der Duma.

Das Kabinett bietet dem Präsidenten ausreichend Anlaß, unzufrieden zu sein. Die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen nicht vom Fleck. Der kommunistische Verhandlungsleiter, Vizepremier Juri Masljukow, hat sich gegenüber dem IWF, arrogant aufgeführt. Ein Hilfspaket rückte in noch weitere Ferne. Indes gilt Jelzins Augenmerk nicht den mangelhaften Leistungen. Sie dienen nur als Vorwand, um im Machtpoker die Oberhand zu gewinnen. Inzwischen scheint eine Regierungsumbildung beschlossene Sache.

Offen ist, ob Jelzin die ganze Regierung aufs Altenteil schickt oder nur die Auswechslung der kommunistischen Kabinettsmitglieder verlangt. Handele er halbwegs rational, so ein Beobachter, entließe er die Kommunisten und würde so den Premier schwächen. Gewinnen die Emotionen des Präsidenten Überhand, schickt er alle in die Wüste. Das würde wieder für Unruhe sorgen. Klaus-Helge Donath

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