Aktion atommüllfreies Sachsen

In Rossendorf werden abgebrannte Brennelemente in Castoren verladen. Dabei weiß niemand, wann sie abtransportiert werden können – und vor allem wohin  ■ Aus Dresden Nick Reimer

„Es geht darum, das Zeug wegzuschaffen“, sagte der Experte des sächsischen Wissenschaftsminsteriums und meinte damit die 951 Brennelemente, die den Forschern des Zentralinstituts für Kernforschung zwischen 1957 und 1991 den Stoff für ihre Arbeiten lieferten. Das zur Akademie der Wissenschaften der DDR gehörende Institut nutzte die Überschuß-Neutronen zur Kernforschung.

Nach der Evaluierung der Ost-Akademie war dem Reaktor nur ein „eingeschränkter Wert für die Wissenschaft“ bescheinigt worden. Im Juli 1993 beschloß das Kabinett die „Aktion atommüllfreies Sachsen“ den Rückbau und Export des Atomschrottes. Am Donnerstag hat nun der Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik (VKTA) den ersten Castorbehälter mit Brennstäben beladen. Allerdings fuhr der Tieflader nur 500 Meter – in die eigens dafür errichtete „Transportbereitstellungshalle“. 16 weitere Castoren werden folgen, die später ins nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus gehen sollen. Dort hat Sachsen seit 1995 Stellplätze gemietet, die den Freistaat jährlich 140.000 Mark kosten.

„Bis April 2000 soll die Verladung aller Brennstäbe abgeschlossen sein“, sagt VKTA-Vereinsdirektor Udo Helwig. Der Verein wie auch das sächsische Umweltministerium rechnen aber nicht damit, daß sie in diesem Jahr noch die Transport- oder Einlagergenehmigung bekommen, auch wenn der in Rossendorf verwendete Castor- Typ MTR 2 nicht vom Transportverbot betroffen ist. „Die Genehmigungen dauern in der Regel fünf Jahre“, so Brigitte Röller vom Umweltministerium. Der Antrag liegt seit Dezember 1995 vor.

In Bonn hieß es, die Castor-Beladung sei „sehr unglücklich“, da der weitere Verbleib der Behälter noch nicht geklärt ist. In Ahaus dürfen derzeit keine Brennelemente aus Forschungsreaktoren zwischengelagert werden.

Natürlich geht es auch um Geld: Sachsen beharrt darauf, daß Bonn bis zu 90 Prozent der 400 Millionen Mark teuren Aktion übernimmt, „wie das bei einem solchen Rückbau zwischen Bund und Ländern vereinbart ist“, so Hartmut Heckel, Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Bonn halte dagegen, Rossendorf sei von der DDR gebaut worden. Zur Not werde Sachsen klagen.

Sachsens Bündnisgrüne begrüßten die Castor-Beladung. „Wir unterstützen alles, was der Gefahrenabwehr dient“, sagte Landessprecher Karl-Heinz Gerstenberg. Und in einem Castor sei „das Zeug“ sicherer als in einem Abklingbecken. Anders verhalte es sich dagegen mit einem per se gefährlichen – und überflüssigen – Transport. „Die Transportbereitstellungshalle ist groß und sicher genug, um die Castoren bis zum Transport in ein bundeseinheitliches Endlager aufzubewaren“, so Gerstenberg.

Auch das Kernkraftwerk Gundremmingen will bis Juli drei Castor-Behälter mit Atommüll nach Ahaus oder ins Zwischenlager Gorleben transportieren. AKW- Sprecher Manfried Lasch sagte, man hoffe, daß die Transportverbote zum Sommer aufgehoben würden. Im Bundesumweltministerium hieß es, bis dahin müßten noch viele Fragen geklärt werden. Das Transportverbot geht auf Ex- Umweltministerin Angela Merkel zurück, die im Mai wegen strahlender Partikel an den Castoren in die Kritik geraten war.