Platzverweis für Poplasen

■ Der Repräsentant der internationalen Gemeinschaft entläßt den Präsidenten der bosnischen Serben. Der Vorwurf lautet auf Amtsmißbrauch und Mißachtung des Dayton-Abkommens

Sarajevo (taz) – Der Präsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina, Nikola Poplašen, wurde gestern von dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Carlos Westendorp, seines Amtes enthoben. Westendorp wirft Poplašen vor, seine „Autorität mißbraucht“, die „Wünsche der Bevölkerung mißachtet“ und gegen das „Abkommen von Dayton gehandelt“ zu haben.

Hintergrund für die schwerwiegende Entscheidung bildet der nun schon seit Monaten andauernde Streit um die Bildung einer neuen Regierung in der Republika Srpska. Nikola Poplašen, der im letzten September direkt vom Volk gewählte Präsident der serbischen Teilrepublik und Chef der Radikalen Serbischen Partei (SRS), versuchte gegen den Willen der Parlamentsmehrheit, eine „Regierung der Nationalen Einheit“ der extrem nationalistischen Parteien, Serbische Demokratische Partei und Radikale Partei, zustande zu bringen. Da ihm dies aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht gelang, konnte die bisherige Regierung unter dem moderaten Premierminister Milorad Dodik die Amtsgeschäfte weiterführen.

Am Donnerstag versuchte der als radikal nationalistisch eingestufte Nikola Poplašen, den ungeliebten Premierminister zum Rücktritt zu zwingen, nachdem 26 Abgeordnete der radikalen Parteien eine entsprechende Resolution verabschiedet hatten. Daraufhin entschied sich der Hohe Repräsentant Carlos Westendorp, Poplašen selbst abzusetzen.

Westendorp beruft sich dabei auf das Abkommen von Dayton, das dem Hohen Repräsentanten im Annex 10 Art. 5 die Möglichkeit gibt, für die Umsetzung des Abkommens zu sorgen. Auf den Bonner und Madrider Nachfolgekonferenzen 1997 und 1998 wurden diese Rechte noch genauer umschrieben. Im Kapitel 10 des Annexes von Madrid wird dieses Recht erweitert: Der Hohe Repräsentant hat die Möglichkeit, auch gewählte Repräsentanten der bosnischen Serbenrepublik zu entlassen, wenn sie sich gegen die Umsetzung von Dayton stellen.

Ob sich nun aber Poplašen so einfach absetzen läßt, ist noch nicht ausgemacht. Der Ideologe von Krieg und ethnischen Säuberungen, der sich zu Beginn des Krieges in der Uniform von Tschetnik- Truppen fotografieren ließ, verfügt bei den radikalen Parteien in der Republika Srpska über großen Rückhalt. In einem Interview mit der taz vor einem Jahr erklärte Poplašen, er werde dem Druck der interntionalen Gemeinschaft bei ihren Bemühungen, den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina zu stärken, widerstehen. Die Republika Srpska sei ein serbischer Staat, der die Möglichkeit habe, sich aus dem Staatsverband in Bosnien-Herzegowina zu lösen.

Angesichts solcher Ansichten forderten internationale Diplomaten schon im Vorjahr von Westendorp, Poplašen nicht zu den Wahlen zuzulassen, da er das Abkommen von Dayton nicht anerkenne.

Nach der Absetzung Poplašens könnte es zu Aktionen der radikalen Kräfte kommen. Nach Auskunft der internationalen Friedensstreitmacht SFOR war die Lage bis gestern nachmittag ruhig. Die SFOR-Truppen würden die Ereignisse jedoch sehr genau verfolgen. In den Nachrichten der Republika Srpska wurde die Erklärung Westendorps ohne Kommentar verlesen. Die Massenmedien der Republik befinden sich in der Hand von Reformkräften. Premierminister Milorad Dodik äußerte sich bis gestern nachmittag noch nicht zu den Ereignissen. Nach inoffiziellen Informationen war er jedoch über die Absicht Westendorps informiert.

Beobachter gehen zudem davon aus, daß die Entscheidung Westendorps mit dem Schiedsspruch über die Stadt Brčko zusammenhängt, der in den nächsten Tagen erfolgen soll. Der Status der bisher zur Republika Sprska gehörenden Stadt soll dabei geklärt werden. Erich Rathfelder Kommentar Seite 12