Entertainer am Millerntor

■ Willi Reimann läßt sich nach dem 1:0 des FC St. Pauli über den KSC feiern

Sichtlich gelöst erschien Willi Reimann auf der Pressekonferenz. Seine Mannschaft, die Profikicker des FC St. Pauli, hatten eben den Karlsruher SC mit 1:0 geschlagen, die Heimpremiere des neuen Coaches war erfolgreich gewesen. Grund genug, um über das ganze Gesicht zu strahlen.

Dabei waren die 90 vorangegangenen Minuten nicht gerade eine fußballerische Erleuchtung. „Taktisch haben wir uns heute hervorragend verhalten“, meinte Reimann, hatte aber auch die Mängel im Spiel erkannt: „Läuferisch wird sehr viel gearbeitet. Jetzt werden wir hoffentlich auch spielerisch besser.“ Das war bereits in der Hinrunde das große Manko der braun-weißen Helden. Die Abwehr um Dirk Dammann steht zwar einigermaßen sicher, doch aus dem Mittelfeld kommen zu wenig Ideen. Technische Glanzstückchen waren und sind Raritäten. Die meisten Angriffe werden eher zufällig eingeleitet denn planvoll und sicher vorgetragen.

Dennoch gibt es einen Unterschied. „Wir haben drei Punkte gewonnen“, analysierte Reimann glasklar, „das ist das Wichtigste in dieser Situation.“ Unter Gerhard Kleppinger, seinem Vorgänger, war das anders. Mit ihm als Coach wäre das Spiel gegen den KSC verlorengegangen. Gegen überlegene Mannschaften – und die Karlsruher waren nahezu die ganze Partie über eifriger und aktiver – unterlag der FC St. Pauli stets. Statt dessen holte das Team dank des Willi-Faktors aus vier Spielen neun Punkte, davon mindestens fünf eher unverdient. Gestern reichte ein schön angeschnittener, direkt verwandelter Freistoß von Marcus Marin zum entscheidenden 1:0. Zusammen mit dem Glück, das Reimann anscheinend mit ans Millerntor gebracht hat. Schließlich hatten die Badener zwei ganz große Chancen durch Christian Kritzer, der nur den Pfosten traf, und Christian Fährmann, der völlig freistehend um Haaresbreite das Tor verfehlte.

Was in den nächsten Wochen zu erwarten ist, formulierte Reimann ebenso klar: „Ich bin froh, daß ich vom Publikum so gut aufgenommen worden bin, und ich hoffe, wir konnten die Fans auf weitere Heimsiege einstimmen.“ Überhaupt scheint sein Hauptaugenmerk im Entertainmentbereich zu liegen. Wohl wissend, daß seine Spieler noch müde waren vom Match am vergangenen Donnerstag gegen TeBe Berlin, motivierte er sie in der Halbzeitpause mit den Worten: „Wir müssen nochmal raus aufs Feld und die Zuschauer unterhalten.“ Wann hat es das am Millerntor zuletzt gegeben?

Eberhard Spohd

St. Pauli: Wehlmann, Dammann, Trulsen, Stanislawski, Wolf, Hanke, Lotter, Puschmann (ab 64. Karaca), Scherz, Marin (ab 83. Ahlf), Mason (ab 46. Klasnic)

Karlsruhe: Jentzsch, Buchwald, Metz (ab 80. Scharinger), Mladinic, Kienle, Arnold, Schwarz, Fährmann, Kritzer, Jozinovic (ab 53. Meissner), Krieg

SR.: Blumenstein – Z.: 14.100

Tor: 1:0 Marin (75.)