■ Der Brčko-Schiedsspruch ist eine Chance für Bosnien-Herzegowina
: Strafe für die Extremisten

Es verwundert nicht, wenn die serbischen Extremisten jetzt schäumen. Leute wie der bisherige Präsident Nikola Poplašen sind vier Jahre nach dem Krieg intolerante Kriegstreiber geblieben. Nach wie vor legitimieren sie die ethnischen Vertreibungen und die damit zusammenhängenden Verbrechen. Sie outen sich dadurch erneut als engstirnige, faschistische Geister und Kriminelle. Und demonstrieren, daß sie eine friedlichen Zukunft nicht gestalten wollen.

Mehr muß verwundern, daß auch serbische Moderate wie der bisherige Premierminister Milorad Dodik und Živko Radišić, das serbische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, aus Protest gegen die Brčko- Entscheidung zurückgetreten sind oder ihre Ämter zumindest ruhen lassen wollen. Sie muß man fragen, was schlecht an einem internationalen Schiedsspuch ist, der aus Brčko wieder eine multiethnische, multireligiöse und demokratisch regierte Stadt machen will.

Die Brčko-Entscheidung gesteht allen Bewohnern der nordostbosnischen Stadt gleiche Rechte zu. Sie gibt allen Menschen in Brčko Hoffnung auf eine Normalisierung des Lebens. Nur von den Nationalisten fordert der Kompromiß Opfer: Brčko wird eben nicht, wie vom bosnisch-muslimischen Präsidenten Alija Izetbegović gefordert, Teil der Föderation sein.

Man kann nur hoffen, daß die Haltung von Ex-Premier Dodik einem wahltaktischen Kalkül entspringt und er bald wieder auf die politische Bühne zurückkehrt. Denn dort könnte er die Interessen der serbischen Bevölkerung am besten vertreten: Im Schiedsspruch wird ausdrücklich Zusammenarbeit gefordert. Wer nicht mitmacht, kann also nur verlieren. Auch sollte Dodik nicht in den Chor der serbischen Extremisten einstimmen, die Brčko-Entscheidung habe die Republika Srpska in zwei Teile zerrissen. Denn hinter diesem Argument steckt nichts als die reale Angst der Hardliner, daß es nun nicht mehr möglich sein wird, die durch den Krieg zum ethnisch rein serbisch gemachte Republika Srpska aus Bosnien-Herzegowina herauszulösen und mit Serbien zu vereinen.

Tatsächlich ist der großserbische Traum mit dem Schiedsspruch ausgeträumt. Von nun an wird es leichter werden, viele Bestimmungen des Vertrages von Dayton durchzusetzen – auch die Rückkehr der Flüchtlinge. Die Brčko-Entscheidung gibt erstmals wieder Hoffnung, daß Bosnien-Herzegowina als gemeinsamer Staat aller Bürger wiedererstehen kann. Davon werden auch die von den Extremisten in die Sackgasse geführten bosnischen Serben profitieren. Erich Rathfelder