„Hauptsache, wir haben genug Geld“

Berufstätige Mütter sind heute der Normalfall, auch wenn die Rahmenbedingungen immer noch nicht stimmen. Die Kinder sehen das pragmatischer als viele Erwachsene und wollen es später auch nicht anders machen  ■ Von Britta Symma

Berlin (taz) – Lara mag eigentlich nicht, daß ihre Mutter auch arbeiten geht. Denn so ist die Neunjährige nach dem Hort ab 17 Uhr oft allein zu Hause. Das hat zwar auch positive Aspekte – „Da kann ich meine Katze hochheben, das darf ich sonst nicht“ –, aber sie fühlt sich in der großen Wohnung doch ziemlich verloren. Die gleichaltrige Anna hingegen genießt die berufsbedingte Abwesenheit ihrer Eltern ohne Bedenken: „Ich kann mit meinen Freunden zu Hause spielen, ohne daß sich die Erwachsenen einmischen.“ Die Konsequenzen für das eigene Leben sind aber bei beiden die gleichen: Lara will genau wie Anna später einmal arbeiten gehen.

Im Verlauf einer Generation sind Kinder, deren Eltern beide arbeiten gehen, von der Minderheit zu Mehrheit geworden. Laut Statistischem Bundesamt waren 1997 in 53,5 Prozent aller Familien Väter und Mütter berufstätig. In der DDR war das zwar schon lange so, aber in den alten Bundesländern sah die Welt lange ganz anders aus. 1972 arbeiteten nur in jeder dritten Familie beide Elternteile.

Die Bedingungen, unter denen Mütter arbeiten, und die Einstellungen zum Rollenwandel der Frauen im Erwerbsleben hinken den Fakten hinterher. Trotz gestiegener Qualifikation verdienen Arbeiterinnen und Angestellte in Deutschland laut Statistischem Bundesamt immer noch fast ein Drittel weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Unter 100 leitenden Angestellten sind nur 8 Frauen. Beruflichen Erfolg bezahlen weibliche Führungskräfte oft genug mit der Entscheidung gegen das Kind: Nach einer Studie aus dem Frauenministerium von Nordrhein-Westfalen haben 60 Prozent der Manager Kinder, aber nur 17 Prozent der Managerinnen. Kein Wunder: Trotz des beruflichen Rollenwandels der Frauen kümmern sich die Männer weniger um Hausarbeit und Kinderbetreuung als die Mütter. In Haushalten mit zwei und mehr Kindern, wo beide Eltern im Beruf stehen, verbringen die Frauen durchschnittlich fünf Stunden täglich mit Putzen und Kinderbetreuung, die Väter nur zwei. Und: Berufstätige Mütter in Deutschland werden weniger durch Kindergärten entlastet als in den Nachbarländern. Nur 4,5 Prozent aller Kleinkinder und 11 Prozent der Erstkläßler gingen 1996 in den alten Bundesländern in den Kindergarten. Fast die Hälfte aller Frauen glaubten 1997 laut einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes, es sei „für alle Beteiligten besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert“.

Von ihren Kindern werden die gestreßten Mütter nicht in dieser resignativen Haltung unterstützt. Marianne Grabrucker, Richterin und selbst Mutter einer halbwüchsigen Tochter, hat für ihr Buch „Karrieremütter – Superkids?“ junge Frauen und Männer interviewt, die als Kinder den „Härtefalltest“ von Müttern in beruflichen Spitzenpositionen mit überdurchschnittlich langen Arbeitstagen erlebt haben. Keines der erwachsenen Kinder erfolgreicher Frauen stellte dabei den Berufsweg seiner Mutter grundsätzlich in Frage, obwohl nicht alle die frühe Selbständigkeit genossen, sondern einige auch unter der Abwesenheit der Mutter gelitten haben. Der Sohn einer Karrierefrau faßt zusammen: „Der Blick aufs Kind müßte das Maß des beruflichen Engagements bestimmen. Das Ob ist für mich keine Frage.“ Übrigens spielte das Geschlecht keine Rolle bei der Befragung. Söhne wie Töchter sagten, der berufliche Erfolg der Mütter sei für sie Vorbild gewesen.

Die acht- bis zehnjährigen Kinder im Hort einer Kindertagesstätte in Berlin-Charlottenburg sehen es als Notwendigkeit, daß ihre Eltern jeweils beide arbeiten gehen. „Sie brauchen ja Geld, um das Essen zu kaufen und die Miete zu zahlen“, sagt Christian. Seine Freunde Till, Max und Christopher finden das zusätzliche Geld für Süßigkeiten und für den Fußballverein sehr wichtig. Einer ärgert sich aber, daß seine Eltern zu oft über die Arbeit sprechen. „Aber es interessiert mich schon, wenn sie darüber reden, daß sie nicht entlassen werden“, fügt er hinzu. Darin sind alle Kinder einig: Es ist besser, wenn beide Eltern arbeiten, als wenn sie arbeitslos sind. Keines der Hortkinder macht einen Unterschied zwischen der Berufstätigkeit des Vaters und der der Mutter. „Es ist egal, ob Mama oder Papa arbeitet. Die Hauptsache ist, daß wir genügend Geld haben.“

Einige der Kinder würden wenigstens abends gern mehr Zeit mit den Eltern verbringen. Marcel ärgert, daß seine Eltern nach der Arbeit auch noch einkaufen gehen. Andere dagegen stören sich daran, daß die Eltern ihren Streß mit nach Hause bringen. Ihre Mutter vertrage nicht, wenn sie zu Hause herumtobe, meint ein Mädchen. „Dann sagt sie immer: Ich war schon 13 Stunden auf Achse.“ Manche der Kinder bleiben deswegen sogar lieber auch dann im Hort, wenn die Eltern ausnahmsweise früher zu Hause sind. Dort können sie Fußball spielen, „und es nicht so langweilig wie allein mit den Eltern“. Allerdings sei das anders gewesen, als sie noch kleiner waren, erinnert sich einer. „Früher habe ich hier auf der Treppe gesessen und geweint. Ich wollte nicht, daß die Mama immer weg war.“ Till will später erst arbeiten gehen, wenn seine Kinder schon sieben oder acht Jahre alt sind. „Der Vater ist auch wichtig für die Kinder, nicht nur die Mutter.“