Langer Atem im Sarkophag

Weil Pop eine Kunst ist, die durch den Körper geht: David Patton ist mit einer DJ-Performance im Künstlerhaus Bethanien zu Gast, während Yael Davids ihre inszenierten Lebendmöbel in der Galerie Gebauer ausstellt  ■ Von Harald Fricke

Im Club galt bislang als Faustregel: Je voller die Tanzfläche, desto besser der DJ. Doch im Zuge der weitgestreuten Vermischung von Kunst, Party und Popkultur hat sich auch diese Grundannahme verflüchtigt. Heute steht man in Diskotheken eher rum, schaut Leuten wie DJ Spooky bei der Arbeit zu oder führt Diskurse über die elektronischen Lebensaspekte der Listening-Generation.

Dem Konzept von David Patton kommt der Trend zu stiller Teilhabe am Musikgeschehen sehr entgegen. Für seine Sound-Performance im Künstlerhaus Bethanien hat er sich einen Song vorgenommen, den die Allman Brothers Band 1971 im Fillmore East, Los Angeles, für ein Doppel-Album eingespielt hat. 22 Minuten und 40 Sekunden – Intro, ausgiebige Gitarren und finales Klatschen von ein paar hundert Acidheads inklusive. „Irgendwer hat dann die Seitentür aufgemacht, und draußen war es schon längst hell“, erinnert sich Fillmore-Impresario Bill Graham in seiner Biographie an die schönen langen Nächte der Allman Brothers und der Grateful Dead.

Patton geht es mit seiner Performance nicht um solche Sentimentalitäten. Das Session-Gejamme von „Whipping Post“ ist für ihn nur Material, das er nicht einmal mixt oder scratcht. Tatsächlich dient ihm das Lied als Fingerübung und Meditation – per Hand dreht Patton die Platte gleichmäßig auf dem Teller! Die Gefahr des Absturzes ist jederzeit groß: Wenn nach zehn Minuten die Band in allgemeine Improvisationen abtaucht, kann man kaum noch den Rhythmus ausmachen. Woran sollte sich da der DJ bei seinem Handbetrieb orientieren?

Dabei ist Pattons Performance mit ihrer in sich selbst kreisenden Bewegung am frühen Robert Rauschenberg orientiert. Der Pop-art- Künstler hatte bereits in den fünfziger Jahren die Idee, mit einem Autoreifen über Bahnen von Papier zu fahren, um auf diese Weise eine unendliche Spur zu hinterlassen. Bei Patton wird diese Zen-artige Geschicklichkeit auf Rock'n'Roll als Hipster-Medium übertragen. Nicht der Beat ist hier allerdings repetitiv, sondern die Vermittlung. Wie ein elektrischer Schamane steht der 1966 in Kentucky geborene Patton hinter seinem Plattenspieler und folgt der Rille im Vinyl...

Neben Musik eignen sich auch Mode und Design für Performances. Derzeit sind in der Galerie Gebauer „living sculptures“ der in Amsterdam lebenden Yael Davids zu sehen. Das Konzept hinter den Arbeiten der israelischen Künstlerin erinnert an Bühnenbilder, oft handelt es sich bei den Objekten um Mitmachmöbel. So wird etwa ihr „Tisch“ von vier Personen ausgefüllt, die sich unter der Tischplatte verstecken und an kreisrund ausgesägten Löchern ihren Hinterkopf durchstecken. Der Tisch wiederum ist von einer Decke zusammengenähter Hemden bedeckt, in die sich die Schädel formschön einpassen. Daneben liegt eine Matratze, in deren Innerem eine Frau wie in einem Sarkophag eingepfercht ist. Von ihr sieht man nichts, statt dessen scheint aber die Matratze zu atmen.

Davids arbeitet für ihre Performances immer mit diversen Laiendarstellern. Während bei Patton das Anti-DJ-Set durchaus eine Art Selbstporträt abgibt, verteilt Davids ihre Ideen als körperlich durchexerzierte Bilder über die ganze Galerie. Die Aktion ist für sie eine Begleiterscheinung für ein bestimmtes Verhältnis zwischen Körper, Sprache und Gestaltung, das seine Wurzeln im zeitgenössischen Ballett hat. Daß dabei alle Objekte stumm bleiben, gehört zum Paradox der Kommunikation, die Davids vorschwebt. Zu Pattons Platten kann man dagegen nur schwerlich tanzen. Harald Fricke

David Patton, bis 14.3., Mi–So 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2; Yael Davids, bis 3.4., Di–Sa 12–18 Uhr, Galerie Gebauer, Torstraße 220 (Performancetermine: 13., 20. und 27.3., von 17 bis 18 Uhr).