Analyse
: Gegen Karriereknicke

■ Frauenministerin Bergmann will, daß auch die Wirtschaft Frauen fördert

Frauen in gehobenen Positionen sind in der Privatwirtschaft mit der Lupe zu suchen. Spätestens, wenn sie Kinder zu betreuen haben, stoßen Frauen an eine „gläserne Decke“, wie die Frauenforschung den fast obligatorischen Karriereknick nennt. „Männer in Mobilzeit“, Teilzeitarbeitsplätze, Kinderbetreuung – Rezepte, wie die gläserne Decke zumindest zu durchlöchern wäre, gibt es genug. Aber während die öffentlichen Verwaltungen seit Jahren mit Frauenförderplänen und Gleichstellungsbeauftragten loslegen, ziert sich die Privatwirtschaft nach wie vor. Frauenministerin Bergmann (SPD) überlegt nun mit dem Programm „Frau und Beruf“ laut, wie die Unternehmen in die Pflicht genommen werden könnten.

Um die Unternehmen nicht gleich zu verschrecken, gibt es eine erste Sondierungsphase. Gestern, am Internationalen Frauentag, traf sich die Frauenministerin mit Unternehmen, die sich die Frauenförderung freiwillig auf die Fahnen geschrieben haben. Die Volkswagen AG zum Beispiel hat sich eine 30-Prozent-Quote von Frauen in Führungspositionen gesetzt, die sie mit jährlichen Förderplänen zu erreichen gedenkt. Schon seit längerem hat VW eine Kinderbetreuung organisiert. Andere Unternehmen lagern Telearbeitsplätze auf Wunsch aus oder versuchen, die Arbeitszeiten kinderfreundlich zu flexibilisieren. Unternehmen, die Familien in die Planung der Arbeitsorganisation einbeziehen, verabschieden sich von der Vorstellung des allzeit verfügbaren Arbeitnehmers: Erziehungsurlaub für Männer bleibt dann nicht nur eine theoretische Möglichkeit.

Bund und Tarifparteien haben in einer Art Bündnis für Frauenarbeit vor zwei Jahren ein Prädikat für frauen- und familienfreundliche Unternehmen entwickelt. Das „Total- E-Quality-Prädikat“ wird nach einem umfangreichen Kriterienkatalog vergeben, der die Beschäftigungssituation von Frauen und die Personalpolitik ebenso bewertet wie partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz und Weiterbildungen für Frauen. 33 Unternehmen schmücken sich mit dem Prädikat – darunter Konzerne wie Hoechst, Lufthansa oder der Berliner Chemieriese Schering.

Solch löbliche Initiativen halten Frauenministerin Bergmann nicht davon ab, die Privatwirtschaft in ein neues Gleichstellungsgesetz einbeziehen zu wollen. Wie bereits in Bremen, Brandenburg und dem Saarland praktiziert, soll die Vergabe öffentlicher Aufträge an das Bemühen der Unternehmen um Frauenförderung gekoppelt werden. Die Wirtschaft, besonders der finanzschwache Mittelstand, ist skeptisch. Mit Begegnungen wie der gestrigen will die Frauenministerin solchen Unternehmen zeigen, daß Frauenförderung und Effizienz sich nicht widersprechen. Heide Oestreich