Grünen-Chefin sieht „Führungsproblem“

■ Nach dem Grünen-Parteitag, der die Strukturdebatte beenden wollte, dominiert Selbstkritik – angefangen bei der Vorstandssprecherin Radcke. Ihre Kollegin Röstel und Minister Trittin wollen jetzt Strukturreform bis zum Jahr 2000

Bonn (taz) – Der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen ist vorbei – der Streit in der Führungsspitze geht jetzt erst richtig los. Vorstandssprecherin Antje Radcke sagte der taz: „Wir haben kein Strukturproblem, wir haben ein Führungsproblem.“ Der Parteivorstand und die Regierungsmitglieder „kriegen es nicht hin, eine einheitliche Strategie und ein einheitliches Ziel zu entwickeln“. Daher müsse man jetzt „Selbstkritik“ üben. Sie wolle sich da selbst nicht ausnehmen.

Die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller forderte dazu auf, nach dem Parteitag nun den „Strukturquatsch“ zu beenden. Müller hatte am Wochenende auf dem Parteitag in Erfurt von den Delegierten großen Beifall für ihre Ablehnung einer Parteireform erhalten. Gesundheitsministerin Andrea Fischer plädiert für eine solche dagegen auch weiterhin: „Ich glaube, daß der Parteitag sich in falscher Sicherheit wiegt, wenn er meint, daß wir als Grüne uns nicht ändern müssen. Das wird uns einholen“, erklärte sie gegenüber der taz. Umweltminister Jürgen Trittin sieht im Blick auf Erfurt vor allem inhaltliche Versäumnisse: „Der Parteitag war eine vertane Chance, sich politisch nach der hessischen Wahlniederlage zu profilieren.“

Trittin sprach sich gegenüber dieser Zeitung für eine Strukturreform aus, erwartet diese aber nicht in naher Zukunft: „Man muß die anstehenden Fragen – Grundsatzprogramm und Strukturreform – zur Mitte der Legislaturperiode erledigt haben, damit man sich dann auf die Bundestagswahlen konzentrieren kann. Was bis dahin nicht geklärt ist, wird erst nach 2002 geklärt werden können.“ Mittelfristig hält er vor allem die Frage für wichtig, „nicht ob, sondern wie das thematische Spektrum erweitert werden soll. Sich daran zu beteiligen setzt etwas mehr voraus, als krachende Bekenntnisse zu irgendwelchen Prinzipien abzugeben.“

Überraschend wünscht sich nun auch Gunda Röstel eine Strukturreform bis zum Jahre 2000. Die solle auch das Problem lösen, wie mit den „leidigen Doppelspitzen“ umgegangen werde. In Erfurt hatte die Parteichefin mit einem Geschäftsordnungsantrag die Diskussion über die Lage der Partei vorzeitig beendet. Gestern vertrat sie nun die Ansicht, in Erfurt sei der Einstieg in die Debatte über die Strukturreform gelungen.

Das sehen die Berliner Fraktionsvorsitzende Renate Künast und ihr Bonner Amtskollege Rezzo Schlauch anders. Beide beklagen, daß vom Erfurter Parteitag kein Aufbruchsignal ausgegangen sei. Künast hält jedoch die inhaltliche Profilierung der Partei für wichtiger als die Strukturreform. Dagegen meint Schlauch, die Grünen könnten nach den nächsten Wahlen gezwungen sein, sich wieder mit der Reform der Partei zu beschäftigen: „Wir müssen gewaltig aufpassen, daß wir nicht weiter abrutschen.“ Wohl wahr. Bettina Gaus Kommentar Seite 12