„Gendernauts“: Surfen im Ozean des Begehrens

Monika Treuts Produktionsgesellschaft heißt Hyäne. Das klingt gefährlich, denn die weibliche Hyäne ist dominant und steht für eine radikal-feministische Filmpraxis, die es auch immer wieder wagte, sich zu dominanten Trends in der feministischen Bewegung querzustellen. In Gendernauts, Treuts neuem Dokumentar-Film, begegnen wir der Hyäne wieder, diesmal ganz unmetaphorisch. Wie eine späte Rache an Walt Disneys Tierfilmern nimmt sich die Eröffnungsszene aus, wenn deren anthropomorpher Blick im Zeichen des gender trouble umgekehrt wird. Die Rede ist da von der Fleckenhyäne, die eine vergrößerte Klitoris besitzt, die wie ein Penis aussieht. Und in ihrem Blut, berichtet die Stimme aus dem Off, befindet sich eine große Menge Testosteron, vor allem, wenn sie schwanger ist.

Dieser Film bewegt sich auf einem Feld, das man aus Werken wie Female Misbehaviour kennt und präsentiert GrenzgängerInnen der Geschlechteridentität, die auf dem großen „Ozean des Begehrens“ surfen, von dem schon Freud wußte, daß er in seinen Untiefen ganz und gar polymorph-pervers strukturiert sei. Forschungsreisende in einem Kosmos multipler Möglichkeiten am Ende eines Jahrtausends stabiler Identitätskonzepte sind es. Sie tragen Namen wie Texas Tomboy, Jordy Jones oder Tornado, manche von ihnen sind „klassische“ Transsexuelle, andere fühlen sich gerade in jenen Zwischenräumen des Unentschiedenen wohl. Alle von ihnen experimentieren mit Hormonen und Körpermodifikationen – als wäre im kalifornischen Pastell-Licht der Bay Area der Traum vom Cyberspace ein wenig biologische Wirklichkeit geworden, die Schicksalshaftigkeit der Physis abzustreifen. Wenn Körper immer schon soziales Material sind, warum dann nicht einfach die Körper verändern?

Einige der von Treut interviewten Gendernauten sind denn auch genauso in San Franciscos Drag-Szene verwurzelt wie Teil des kalifornischen Computeroptimismus. Texas Tomboy designt Technovideos, Stafford und Jordy Jones Webpages, und die Professorin Sandy Stone sagt: „Cyborgs 'R' Us.“ Noch als Mann arbeitete sie als Toningenieur für Jimi Hendrix, heute unterrichtet sie am Advanced Communication Technologies Laboratory der Universität von Texas und schreibt Bücher über das Ende des mechanischen Zeitalters. Dazwischen tauchen dann wieder alte Bekannte auf. Max Valerio, ein Frau-zu-Mann-Transsexueller – früher Lesbe, heute heterosexueller Mann –, der seit den Aufnahmen zu Female Misbehaviour seine lang ersehnte Brustoperation hatte, und aus seinem Buch Max, A Man liest. Und auch ein Wiedersehen mit der ehemaligen Porno-Diva und Performance-Künstlerin Annie Sprinkle gibt es. „Sometimes it's not easy to be avant-garde“, muß sie einmal feststellen. Was aber Treuts Film voll anti-ödipaler Lust und Sensibilität nach außen trägt, ist, daß sich diese Lebensformen am allerwenigsten in der Perspektive des Problems darstellen lassen – eher schon als Forderung, die Sandy Stone am Ende zornig formuliert, die Geschlechter jenseits von Männlichkeit und Weiblichkeit wieder sichtbar zu machen.

Tobias Nagl

morgen bis Sa, 13. März, 19 Uhr; morgen und So, 14. März, 23 Uhr; Mo, 15. März, 20 Uhr; Di, 16., und Mittwoch, 17. März, 21.45 Uhr, Abaton