„Bremer Senat verhöhnt das Volk“

■ Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ bekam keine Begründung für die Ablehnung ihres Volksbegehrens, will aber für einen neuen Text die 5.000 Unterschriften sammeln

Der Bremer Senat hat gestern beschlossen, den Antrag auf Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform an den Staatsgerichtshof weiterzuleiten. „Der Senat hält das Volksbegehren für nicht zulässig“, heißt es in der knappen Pressemitteilung. Der Antragstext lasse „sich widersprechende Deutungen zu“ und verstoßte damit „gegen das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gebot der Bestimmtheit gesetzlicher Tatbestände“.

Die detaillierte interne Begründung des Justizsenators, die der taz am Tag vor der Entscheidung vorlag (vgl. taz 9.3.), wurde nicht veröffentlicht. Die Antragsteller von der Initiative „Wir gegen die Rechtschreibreform“ erfuhren gestern offiziell überhaupt nichts. „Ich habe nichts in der Hand“, erklärte Petra Ahrens von der Initiative gestern abend gegenüber der taz, „ich weiß es nur aus Ihrer Zeitung.“ Dies gilt auch für die Begründung des Senats, die Bürger wüßten bei der Abstimmung nicht, was sie entscheiden, wenn sie mit „ja“ stimmen. „Was für ein Quatsch“, empört sich Petra Ahrens. Denen, die an den Ständen reihenweise und gern unterschrieben haben, sei das sehr klar gewesen. „Wir wollen diese unsinnige Rechtschreibreform nicht. Und wir wollen, daß sie überall gestoppt wird.“ Aus diesem Grunde hatte die Bremer Initiative einen Passus in den Gesetzesvorschlag aufgenommen, der den Senat verpflichten sollte, auch in den föderalen Bundesgremien gegen die Rechtschreibreform zu votieren. Die Kieler Landesregierung hatte dies nämlich trotz des eindeutigen Ausganges des Volksbegehrens dort nicht getan. Auch diesen Passus hält der Bremer Senat für unzulässig, weil er den Handlungsspielraum der Exekutive zu weit einenge. „Vor einem Vierteljahr, als wir angefangen haben, da habe ich noch an unsere Demokratie geglaubt“, sagt Ahrens verbittert.

Daß ihre Formulierung als mißverständlich empfunden werden könne, wenn von der „allgemein gültigen Rechtschreibung“ die Rede sei, in einer Zeit, in der an den Schulen schon die neue Rechtschreibung „allgemein üblich“ ist, das leuchtet ihr allerdings auch ein. „An der Formulierung müssen wir arbeiten“, sagt sie. Möglicherweise würde nun ein verfassungsrechtlich erfahrener Anwalt zur Beratung herangezogen. Auf jeden Fall will die Initiative aber weitermachen, und zwar „zweigleisig“: Parallel zu dem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof sollen die erforderlichen 5.000 Unterschriften unter eine neue Formulierung gesammelt werden. Die liegt möglicherweise schon am 12. März vor, wenn die Initiative am Hanseatenhof ihren Stand macht.

Hermann Kuhn von den Bremer Grünen findet den Volksbegehrens-Text auch „in sich widersprüchlich“. Er persönlich würde auch mit „Nein“ stimmen – „es wäre für die Kinder fatal, die Rechtschreibreform aus Prinzipienreiterei wieder zurückzudrehen“, sagt er. Dennoch sind die Grünen dafür, daß die Bürger über eine solche Frage abstimmen dürfen, die derzeitigen Bremer Regelungen machten es dem Senat zu leicht, „fast jeden Antrag zurückzuweisen“.

Die Bürgeraktion „Mehr Demokratie e.V.“ erinnert daran, daß bisher sechs von sieben Volksbegehren in Bremen nicht zugelassen wurden – auch die, die in anderen Ländern zugelassen werden. „SPD und CDU ersticken jeden Ansatz von Basisdemokratie im Keim.“ Ralpf Kampwirth, Sprecher der Bürgeraktion Mehr Demokratie: „Der Bremer Senat verhöhnt das Volk.“ K.W.