Kommentar
: Restlaufzeiten kürzen!

■ Die Probleme der AKW-Betreiber sind nicht die der Regierung

Die Konsensgespräche zwischen Bundesregierung und Atomkraftwerksbetreibern sind gestern wieder vertagt worden – weil es da noch ein Problem mit dem neuen Steuergesetz gibt. Es ist absurd: Tatsächlich soll der Ausstieg aus der Atomkraft von ein paar Finanzexperten abhängen.

Manche werden sich noch dunkel erinnern: Atomkraft bedeutet Tschernobyl, uranverseuchtes Sachsen, Tonnen von bombenfähigem Plutonium weltweit verteilt, Tausende von Arbeitern und Anwohnern der Atomanlagen verstrahlt. Doch statt diesen Irrweg der Energieversorgung zu verlassen, müssen nun Steueranwälte ausrechnen, ob die längst fällige Neubewertung der bisher absurd hohen Rückstellungen und Steuergeschenke für die Atomindustrie in den nächsten Jahren zehn oder 25 Milliarden Mark Steuern kostet. Und dann will die Bundesregierung überlegen, wie sie den Stromkonzernen über die gröbsten Härten ihres Steuergesetzes hinweghilft.

Auf diese Art macht sich die Regierungskoalition die Probleme der Stromversorger zu eigen – ein Ausstieg aus der Atomkraft aber ist so nicht zu erreichen. Während eine der wohlhabendsten Branchen die Diskussion erfolgreich auf den Nebenbereich von Schadensersatz und Steuern lenkt, wurde in den Konsensrunden bisher noch nicht ein Wort über die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke verloren. Aber selbst wenn die Runde aus Kanzler, Ministern und Bossen nach Ostern das Thema endlich doch einmal ansprechen sollte: Die Konzernherren haben bisher immer klargemacht, daß sie aus den Gesprächen aussteigen werden, sobald der Ausstieg für sie auch nur ein wenig Geld kostet.

Daher bleibt für die Bundesregierung nur der härtere Weg: Konkrete Maßnahmen müssen her, um die Restlaufzeiten auf möglichst wenige Jahre zu beschränken, Atomkraft unrentabel zu machen und die Wiederaufarbeitung schnell zu verbieten. Für diesen Fall haben die Stromkonzerne schon den Gang vor Gericht angedroht. Entweder die Bundesregierung scheut diesen Konflikt nicht, dann muß sie ihn auch austragen und sich nicht länger lächerlich machen. Oder sie will die teuren Verfahren um die Atomkraftwerke nicht riskieren. Dann sollte sie aber auch ehrlich zugeben, daß es ihr nicht möglich ist, den mit politischen Entschlüssen eingeführten Atomstaat wieder mit politischen Mitteln abzuschaffen. Reiner Metzger