Aus der Welt der Info-Proletarier

■ Voraufführung fürs „spezial“: Der „Spiegel“ bespiegelt die eigene Zunft

Als damals der Spiegel-Verlag versuchte, sein Sonderheft Spiegel special zu einem monatlichen Magazin auszubauen, da begann man mit seinesgleichen. Das erste Heft hieß „Die Journalisten“, auf daß dieselben es mannigfaltig nähmen und in ihren jeweiligen Organen berichteten, wie dort die Welt als schlecht und die Journalisten, speziell die vom Spiegel, als im Grunde edel beschrieben werden. Das war 1995, kurz nachdem Focus erstmals rausgekommen war. Da brauchte man die selbstfabrizierten Verdikte über anderer Leute „McJournalismus“. Später vergingen dann die Themenhefte im Ungefähren, wie es eben ist, wenn man die Idee des Schwerpunktjournalismus betreibt, als sei es aktueller, und jede Ausgabe mit einer frischen Emnid-Umfrage zum Thema beworben werden muß.

Die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen kommt der Spiegel selbst manchmal wie ein Doppelwhopper daher und das monatliche Special interessiert trotz zuweilen peinlicher Promotion weder Journaille noch Leser. Zeit, sich wieder öffentlich mit sich selbst zu beschäftigen. Noch bevor das unter Wirren endgültig renovierte Konzept des Special (dann mit „z“ als Spezial) im April an die Kioske geht, gibt die Mannschaft um Andreas Wrede für den März schon mal eine Art Voraufführung über die eigene Branche: „Info-Sucht – der Mensch im Netz der Medien“. Und, was soll man sagen, auch das neue Spiegel special nimmt gefangen nur im Selbstbespiegelungskreislauf. Immerhin hat es ein großzügiges Layout und einige sehr hübsche Ideen, wie eine Fotostrecke über das Recycling alter Zeitungen, oder die Geschichte, was aus dem Helden der 70er- Jahre Serie „Unser Walter“ geworden ist. Ansonsten Leidensberichte aus der Welt der Infoproletarier, die ohne ihr Handy nicht können und das dem „Terror der Erreichbarkeit“ (eine Art Nachfolger von Baader-Meinhof) zuschreiben. So halten sich die Erkenntnisse in Grenzen, bis auf solche, die wir immer schon hatten, und die Michael Jürgs nun in bemühte Wortspiele über „die viertklassige Gewalt“ zwängt.

Ein Magazin nur zu einem Thema machen zu müssen ist eben ein Fluch, es sei denn, man macht es wie zuweilen das SZ-Magazin oder das Kulturheft du und assoziiert um ein Thema herum, das dafür tagesfern genug ist („Der Sonntag“). Theoretisch hat man das Problem auch beim Spiegel Spezial erkannt und will ab April weg vom reinen Themenheft. Doch dann kann es schnell wieder schwierig werden: Wenn diese Truppe kein Thema mehr hat, könnte ihnen leicht vollends der Zweck abhanden kommen. Gefangen im Netz der Medienökonomie. lm