Trotz, nicht wegen...

■ Kammerspiele: Erste Premiere mit „Draußen vor der Tür“

Ein bißchen hatte die Eröffnungspremiere in den Kammerspielen was von: „Laßt es uns gemeinsam überstehen!“ Schon in den Vorabinterviews hatten Ulrich Waller und Ulrich Tukur (Foto) als präventive Schutzmaßnahme überall verbreitet, daß Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür eigentlich ein ziemlich schlechtes Stück sei und daß man bitte Geduld mit dem neuen Team haben solle. Als sich Tukur dann auch noch bei der Generalprobe eine Rippenprellung zuzog, was Hausherr und Regisseur Waller vorab erklärte, war die Einstimmung auf ein Theatererlebnis auf vollem Sympathielevel aber ohne hohe Erwartung gelungen.

Und das war gut so, denn Borcherts Heimkehrerdrama ist von heutiger Warte betrachtet ein Zeitstück der Nachkriegszeit, das weder literarisch noch historisch durch die Distanz gewonnen hat, dessen unmittelbares Pathos 50 Jahre nach Kriegsende seine Funktion als schmerzliche Attacke gegen globale Verdrängung nur noch in Stereotypen vermittelt.

Der Kontrast von Varieté und Verzweiflung, den Regisseur Waller mit vier Zirkusgestalten in allen Rollen der Gesellschaft und Tukur als Kriegsheimkehrer Beckmann herstellt, ist ein brauchbarer Regieeinfall zur Unterhaltung, aber auch nicht wirklich so scharf und verzerrend, daß einem neuerlich der Atem stocken würde. Er erlaubt Schauspielertheater, das von dem kleinen Ensemble (Brigitte Janner, Michael Schönborn, Gerhard Garbers und besonders klasse Pamela Knaack in den Mädchenrollen) dankbar ausgespielt wird. Unterstützt wird die Gesellschaft als ensorsche Groteske noch von einer Cabaret-Musik von Hans Ströer. Gegenüber diesen Karikaturen plaziert Ulrich Tukur seinen Beckmann als naturalistischen Selbstmordkandidaten auf dem Parcours des Todes, der unaufhörlich wie eine Fliege mit dem Kopf gegen das Glas der Ignoranz stößt: Klar, überzeugend, tukuresk.

Am Ende war der Jubel groß, daß der Anfang trotz des Stückes nicht verbockt wurde, und wenn der Gastronom im neuen Café Jerusalem darauf vorbereitet gewesen wäre, hätte man das auch feiern können.

Till Briegleb

Foto: Markus Scholz